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Wohlthäter betrachtet werden.

Dagegen das System der Nothwendigkeit befreit den Menschen von aller solcher Unruhe, es lehrt ihn sich in sein Schicksal fügen, und gibt ihm jene Art von Apathie, die Jeder als ein Glück ansehen muss. Dieses System lehrt die Gegenwart geniessen, während das unsinnige Dogma von einem künftigen Leben, den Menschen von der Gegenwart abzieht. 7)

Es begnügt sich nun aber das System nicht damit, im Allgemeinen die Nützlichkeit d. h. Annehmlichkeit dieser Ansicht zu preisen, sondern zeigt nun auch wie sich darauf ein Moralsystem bauen lasse. Auch hier beginnt es mit Anklagen der andern Ansichten. Jedes Mal wenn wir aufhören, der Erfahrung zu folgen, verfallen wir in Irrthümer. Die Moralisten haben das menschliche Herz nicht gehörig erforscht; sie haben darum sich sowol hinsichtlich der Krankheiten desselben geirrt, als auch hinsichtlich der Wahl der Mittel, die sie gegen dieselben anwandten. Es hat ihnen an Erfahrung gefehlt. Hätten sie diese gefragt, so hätten sie erkannt, dass der eigentliche Schlüssel des menschlichen Herzens in der Medicin gefunden wird, und dass man den Geist nur moralisch macht, indem man den Körper heilt. Aber indem sie die Seele zu etwas Immateriellen gemacht haben, haben sie aufgehört auf das einzuwirken, woraus alle Handlungen einzig und allein fliessen, auf das Temperament. Auf alle die Vortheile, welche der Moral und Politik aus dem Materialismus fliessen, haben sie ver

zichtet, indem sie sich dem Spiritualismus und der Theologie in die Arme warfen, welche die rechten Heilmittel nicht gibt, ja oft sie anzuwenden verbietet. Beobachten wir nun den Menschen wie er ist, so sehen wir, dass er nur thätig ist, wo ein Bedürfniss Statt findet. Das Bedürfniss ist nun nach dem Temperament ein Verschiedenes. Das nun,

worauf das Bedürfniss geht und was also nach dem verschiedenen Temperament selbst verschieden ist, nennt man das Interesse des Menschen (intérêt). Man versteht darunter den Gegenstand, den er zu seinem Wohlseyn nothwendig hält. Dieses ist nun das Einzige, was zur Handlung bringt. Da nun jeder Mensch nach seinem verschiedenen Temperament ein verschiedenes Interesse hat, das Temperament aber seine natürliche Bestimmtheit ist, so folgt daraus dass jede Handlung nothwendig ist. Der Böse folgt eben so nothwendigen Motiven, und folgt ihnen mit derselben Nothwendigkeit, wie der Gute den seinigen. Ihr Unterschied liegt nur in ihrer verschiednen Organisation, und darum in ihrem verschiednen Interesse. Dass wir den einen hassen und tadeln, den andern loben und lieben, ist eben auch wieder nur das Werk der Nothwendigkeit. Wenn man sich, um zu beweisen dass der Mensch selbst responsabel sey, auf die Reue berufen hat, so vergisst man, dass die Reue nur Schmerz darüber ist, dass eine Handlung für uns schlechte Folgen gehabt hat; wären die Folgen unserer Handlungen uns immer nützlich so würden wir nie eine bereuen.

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Wenn man ferner gesagt hat, dass nach dieser Ansicht man den Verbrecher nicht strafen dürfe, so ist das ganz falsch. Wir strafen ihn so, wie wir den Fluss eindämmen, der unsere Felder verwüstet. 8)

Bis dahin war aber noch gar nicht gezeigt, wie diese Ansicht auch die Mittel an die Hand gebe,' die Handlungen der Menschen nicht nur richtig zu beurtheilen, sondern auch auf sie einzuwirken, was doch als das Hauptziel eines Moralsystems angesehn wird. Auch hierin behauptet nun dieses System, den Vorzug vor allen anderen zu haben. Ist nämlich nur das Interesse, und sind die darauf gehenden Triebe und Leidenschaften das einzige Motiv einer Handlung, so können einzig und allein sie auch ein Gegengewicht gegen eine schädliche Neigung abgeben. (So schreckt z. B. die Gesellschaft den, der eine verbrecherische Neigung hat, von einer solchen Handlung ab durch die Leidenschaft der Furcht). Die Moral wird deswegen nur dann wirksam seyn, wenn sie, statt die Selbstliebe und das Interesse zu erdammen, vielmehr zeigt wozu unser wohlverstandnes Interesse führt. Wenn wir z. B. erkennen, dass, um andere dafür zu interessiren dass es uns wohl gehe, wir uns auch für ihr Wohl interessiren müssen, dann haben wir die moralische Verbindlichkeit dazu erkannt. Eine moralische Verbindlichkeit also haben wir zu Allem, was mit unserem Interesse übereinstimmt. Derjenige Mensch nun welcher sein Interesse auf eine selch Weise befriedigt, dass die andern um ihres einen

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- Interesses willen mit dazu beitragen müssen, heisst ein guter Mensch. Das System des Interesses verbindet deswegen die Menschen unter einander, und befördert also die wahre Moralität, dagegen hat die Religion immer die Menschen getrennt und gegen einander gereizt, so dass sie immer der Moral gefährlich gewesen ist. Die schrecklichsten Religionen sind immer die consequentesten gewesen. Der Atheismus lässt die Menschen mindestens wie sie sind, indem er nicht durch Fanatismus die Leidenschaften noch mehr anreizt, während der Aberglaube den Hass noch steigert. Aber nicht nur dies. Sondern das der Atheist weiss, dass es nur ein Leben gibt, so wird er so viel als möglich dazu thun, hier sein Interesse zu befriedigen, und wird zu diesem Ende sein Möglichstes thun, um auch die Andern dafür zu interessiren, d. h. er wird ein guter Mensch seyn. 9)

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Ausser einer Parallele zwischen den Vorschriften der natürlichen Moral und dem was die Religion vorschreibt, die natürlich nicht zum Vortheil der letztern ausfällt, hat dann das System nach einen Code de la Nature aufgestellt, der die Vorschriften der natürlichen Moral enthalten soll.

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§. 16.

Schlussbemerkung.

Indem das Système de la Nature die äusserste Consequenz der durch Locke begonnenen Lehren ausgesprochen hat, steht es selbst an der Grenze der Unphilosophie, in welche diese einseitige Richtung der Philosophié ausläuft. In diesem Resultate der bisherigen Entwicklung die Nothwendigkeit einer neuen Phase in der Entwicklung der Philosophie nachzuweisen ist erst möglich, wenn die, dem einseitigen Realismus gegenüberstehende, Ansicht dargestellt und bis zu ihrem Extrem durchgeführt ist.

1. Als das Ziel derjenigen einseitigen Richtung in der Philosophie dieser Periode, die als die realistische bezeichnet wurde, (vgl. Bd I. Abth. II. p. 102) war ausgesprochen, dass darin die eine Seite, nenne man sie nun ideale, nenne man sie denkende, nenne man sie geistige, auf ein Minimum reducirt sey gegen die ihr gegenüberstehende, so dass dieser das Uebergewicht eingeräumt werde. Auf ein Minimum reducirt, denn da als die Aufgabe der neuern

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