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Werk de l'esprit 3) heraus, welches ihm auf der einen Seite im In- und Auslande Bewunderer verschaffte, auf der andern Seite aber die heftigsten Verfolgungen, namentlich von Seiten der Geistlichkeit, zuzog. Die Sorbonne verwarf dieses Buch, die Geistlichen, die sonst sich selber bestritten, vereinigten sich in der Verfolgung desselben, und Jansenisten wie Jesuiten sprachen darüber das Verdammungsurtheil aus, ein Urtheil welches dadurch sogleich eine politische Bedeutung bekam, dass die ersteren an dem Parlament, die letzteren am Hof eine Stütze hatten. Er musste es für ein Glück achten, dass man sich damit begnügte sein Buch zu unterdrücken und ihn sowol als den Censor des Buchs ihrer Hofämter zu entsetzen. Auch die französischen Journale schonten dieses Werk nicht. Desto mehr Beifall fand es im Auslande. In Italien, England, Deutschland ) ward es übersetzt, und namentlich an den Höfen der Verfasser beliebt. Er erfuhr dies auf zwei Reisen, durch die er seine ländliche Ruhe unterbrach, einer nach England, und einer nach Deutschland. Auf dieser letzteren bot ihm Berlin und Gotha einen besonders angenehmen Aufenthalt dar. Nach seiner Rückkehr begann er ein zweites Werks), welches in mancher Hinsicht noch wichtiger als das erste, erst nach seinem

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3) Paris 1758. 4. und III Vol. 8.

*) von Gottsched 1759., v. Jorkert Liegn. u. Lps. 1760. s) De l'homme, de ses facultés et de son éducation. Londres (Amst.) 1722. Vol. II. 8.

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Tode herausgekommen ist, in welchem er mehr die praktischen Folgerungen seiner Ansicht für Erziehung u. s. w. hervorhebt. Bis zum Anfange des Jahres 1771 bemerkte man bei Helvetius keine Abnahme seiner Kräfte. Im Anfange dieses Jahres begann sie und am Ende desselben, den 26sten Dec., unterlag er einem Gichtanfall. Ein liebevoller Character, der sich in vielen grossmüthigen Handlungen gezeigt hat, eine oft rührende Gutmüthigkeit, die, wie oft, auch hier sich mit Genussliebe paart, sind ihm eigenthümlich gewesen. Was seine Schriften betrifft, so sind sie lichtvoll und dabei schön geschrieben, er gehört zu den besseren Stylisten. Sie zeigen Scharfsinn, und wenigstens die Tiefe, welche dazu nöthig ist, die herrschenden Maximen so zu erkennen, dass man sie mit Bestimmtheit aussprechen kann. Das Witzwort jener Dame: c'est un homme qui a dit le secret de tout le monde ist hinsichtlich seiner Schriften treffend, hinsichtlich seiner Zeit characteristisch. In ihren Grundzügen ist die Lehre des Helvetius diese:

Bei einer Untersuchung über den Geist, ist es von der äussersten Wichtigkeit zuerst den Begriff bestimmt zu fassen, den man mit diesem Worte bezeichnet. Man versteht nämlich unter Geist zweierlei: entweder betrachtet man ihn als das Princip des Denkens, (in diesem Sinne braucht man das Wort wenn man sagt, der Mensch ist Geist), oder aber man bezeichnet damit die Wirkung jenes Princips, wo man darunter eigentlich nichts Andres verII, I.

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steht, als den Complex von Gedanken eines Menschen, (also in dem Sinne, in welchem man von einem Menschen sagt er habe Geist, esprit). In seinem Werk vom Geiste nimmt Helvetius das Wort nur im letztern Sinne, so dass also darunter das zu verstehn ist, wovon eine bestimmte Art auch mit dem Worte Talent bezeichnet wird, wie er denn wirklich beides zusammenstellt, indem er sagt, dass was sonst Geist, wo es sich im Gebiete der Kunst zeigt, Talent genannt werde. Um diesen Begriff noch mehr zu fixiren, sucht er Geist und Seele streng von einander zu scheiden. Die letztere ist ihm nur belebendes Princip, Princip der Empfindung, oder auch Lebenskraft, und ist deswegen immer mit dem lebendigen Organismus gesetzt, so dass es keinen Moment im Leben geben kann wo der Mensch entseelt wäre, dagegen das Bewusstseyn und der Geist auf Momente schwinden kann; endlich gehört zur Seele nicht das Denken, der Geist aber als Complex von Gedanken, ist ohne dasselbe nicht denkbar. Beide aber, Geist und Seele, stehen in diesem Zusammenhange mit einander, dass nur wo Leben, d. h. Seele ist, der Geist sich bilden kann, daher nennt er ihn auch eine Folge oder auch Wirkung der Seele. Die Frage ob die letztere materiell oder immateriell sey, weist er als unwesentlich und als eine, auf die es keine gewisse Antwort gebe, von der Hand; seine Theorie, sagt er, sey mit jeder dieser beiden Annahmen ganz gleich vereinbar. Um nun gehörig zu erkennen,

was Geist ist, ist die erste Aufgabe, zu finden, wie die Ideen, deren Complex ja eben der Geist ist, entstehen. Die Antwort auf diese Frage kann nur die Beobachtung und Erfahrung geben. Diese lässt uns in dem Menschen zwei passive Vermögen erkennen; das eine besteht in der Fähigkeit äussere Eindrücke zu empfangen, und wird von ihm sinnliche Empfindungsfähigkeit (sensibilité physique) genannt, das andere ist die Fähigkeit diese Eindrücke festzuhalten, und heisst Gedächtniss. Beide Vermögen aber wären unfruchtbar, wenn nicht dem Menschen eine äussere Organisation gegeben wäre, welche ihn möglichst vielen Affectionen der Aussenwelt zugänglich machte. Die Thiere, deren Organisation sehr viel mangelhafter ist, sind dadurch (z. B. durch den Mangel der Hände bei den meisten) hinsichtlich des Geistes dem Menschen untergeordnet, weil jene beiden Vermögen bei ihnen viel unthätiger und unfruchtbarer bleiben müssen. Ausser den sinnlichen Eindrücken aber, und dem was das Gedächtniss enthält, nimmt Helvetius noch andere Affectionen des Geistes an; jene beiden nämlich sind Abdrücke von Dingen, und werden von ihm Bilder, images, genannt. Der Mensch percipirt aber auch Verhältnisse unter den Dingen, und die Perceptionen von Verhältnissen sind es nun welche, im Gegensatz gegen jene Bilder, Ideen im engern Sinne des Worts genannt werden, jedoch ohne dass sich der Sprachgebrauch hier ganz treu bleibt. Das Wahrnehmen dieser Beziehungen ist es nun vor

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zugsweise, welches das ausmacht, was Helvetins Geist nennt, und da diese Beziehungen Wahrnehmen, die Dinge Vergleichen und Urtheilen ihm gleichbedeutende Ausdrücke sind, so kommt er zu dem Resultate, dass alle Thätigkeit des Geistes im Urtheilen bestehe. Wenn Wahrnehmen, Behalten im Gedächtniss und Vergleichen hier als verschiedne Functionen aufgeführt werden, so ist dabei nicht zu vergessen, dass die beiden letztern nur Modificationen der erstern sind, und also eigentlich alle Geistesfunctionen Wahrnehmen, Empfinden sind. Vom Behalten im Gedächtniss ist dies klar, denn wir behalten nur dadurch, dass ein sinnlicher Eindruck in unsern Empfindungsorganen (schwächer) fortdauert. Aber auch beim Vergleichen verhält sichs nicht anders, denn zwei Dinge vergleichen heisst sie abwechselnd empfinden. Es ist daher dem Geiste nicht ein besonderes Vermögen zu urtheilen zuzuschreiben, sondern Urtheilen ist eigentlich nur Empfinden. Das Urtheilen setzt darum das Gedächtniss voraus, und ist ohne dasselbe nicht möglich, aber es ist doch wesentlich davon unterschieden, dadurch nämlich, dass das Gedächtniss nur Fertiges, seyen es nun Bilder von Dingen, seyen es von Anderen gefundne Beziehungen derselben, besitzt, während wir nur dann wirklich urtheilen, wenn wir die Beziehungen selbst finden. Durch sein Gedächtniss hat daher der Mensch wohl Wissen (science), Geist hat er nur, wenn er selbstthätig Ideen von Beziehungen etc. sich erwirbt.

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