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Das Système de la Nature.

Unter diesem Titel erschien im Jahre 1770 in London ein Werk '), welches als seinen Verfasser den, damals bereits verstorbenen, Mirabaud, Secretair bei der Académie française angab, der sich allerdings durch Schriften von rein deistischem Character bekannt gemacht hatte. Die Vorrede lässt den Verfasser als einen Greis sprechen, welcher wolle, dass erst nach seinem Tode dieses Werk herauskomme. Höchst wahrscheinlich aber ist dieses Werk nicht von Mirabaud -, dass d'Alembert es ihm abspricht, würde Nichts beweisen, da er oft es nicht verschmäht hat in seinen Eloges Unwahrheiten zu sagen, sondern ist in dem Kreise entstanden, welcher sich bei dem Baron von Holbach zu versammeln pflegte, und in welchem Diderot, Grimm u. A. die eigentlichen Tonangeber waren. Ob der Baron von Holbach, ob sein Hauslehrer Lagrange der Verfasser, oder ob es von mehreren verfasst sey und namentlich von Diderot die wichtigsten Beiträge erhalten habe, ist itzt wohl kaum zu entscheiden. Gewiss ist es, dass in dem Diderotschen Gespräch mit d'Alembert einige Punkte vorkommen, die fast unverändert sich in dem Système de la Nature wieder finden. Das Aufsehn, welches dieses Werk machte, wurde durch die Parlamentsacte, die es zum Feuer verdammte, nur noch

1) Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde moral par feu Mr. Mirabaud, London 1770. 2 Bde. 8.

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erhöht, es hat sehr viele Auflagen erlebt, und ein Auszug aus demselben von Helvetius, nach dem Tode desselben herausgekommen, hat mit dazu beigetragen es bekannt zu machen. Auch ins Deutsche ist es, von Schreiter, übersetzt worden. Jene Zeit begrüsste in diesem Werk das Evangelium der Philosophie, und es hat vor allen andern dazu beigetragen, dem Materialismus den Sieg über ein grösseres Publicum zu verschaffen. Die Lehren, welche in diesem berüchtigten Buche vorgetragen werden, sind im Wesentlichen diese:

Das Universum oder die Totalität alles dessen, was existirt bietet uns nichts dar als Materie und Bewegung. Es besteht dasselbe aus verschiednen Verbindungen der Materie. Die verschiednen Existenzweisen der einzelnen Dinge die eben in jenen verschiednen Verbindungen ihren Grund haben, die verschiedenen Gruppen, Ordnungen, Systeme,

welche sie bilden, alles dies befassen wir unter dem gemeinschaftlichen Namen Natur. Die Natur bildet ein Ganzes indem die einzelnen Dinge ein Verhältniss von Ursache und Wirkung bilden, d. b. indem ein Ding in einem andern Dinge Bewegung hervorbringt. Jedes Ding wirkt auf Andere oder bewegt sie und wird wieder von andern bewegt, so dass es durchaus keine selbstständige Bewegung gibt, sondern nur mitgetheilte, empfangene. Es folgt daraus, was auch die Erfahrung bestätigt, dass es in der Natur keine Ruhe gibt, sondern dass Alles in einer stetigen Bewegung sich befindet. Wenn

man fragt woher die Materie oder die Natur die Bewegung erhalten habe, so kann man nur darauf antworten von sich selbst, weil sie das einzig Existirende ist. Bewegung folgt eben so unmittelbar aus dem Begriff der Materie wie Ausdehnung. Jene Frage entsteht bloss indem wir uns die Materie so vorstellen, wie sie nicht in Wahrheit ist, nämlich als eine todte Masse. Das aber ist sie nicht; denken wir uns die Materie wie sie gedacht werden muss, so folgt aus ihrem Begriff auch Bewegung, so folgt dass sie thätig und fähig ist, alle besondern Wesen aus sich hervorzubringen. Dies geschieht nur durch verschiedene Arten von Bewegung. Es gibt nämlich eine Verschiedenheit der Bewegung, weil wir unter den verschiednen Dingen einige sehen, welche die Neigung haben sich zu verbinden, während andre sich nicht verbinden können. Diese verschiednen Dispositionen werden von den Naturforschern als Attraction und Repulsion oder auch als Sympathie und Antipathie bezeichnet. (Sie sind dasselbe was die Moralisten Hass und Liebe nennen.) Durch diese beiden entstehen nun verschiedne Bewegungen, durch diese verschiedne Verbindungen und die ganze Mannigfaltigkeit der Dinge; die Gesetze, wonach dies geschieht, sind ewig und unveränderlich. Wenn man von der Unveränderlichkeit der Gesetze der Natur spricht, so muss man nicht die Natur hypostasiren und ihr Zwecke u. s. w. zuschreiben. Die Natur hat keine Zwecke, sie ist starre Nothwendigkeit, wenn wir von ihrem Zwecken

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sprechen, so geschieht es, weil wir ihr Etwas unterschieben. Alle ihre Bewegungen sind nothwendige Folge ihrer nothwendigen Existenz. Darum ist es eigentlich ein ungeschickter Ausdruck, wenn man von Ordnung oder Unordnung in der Natur spricht. Diese abstracten Ideen existiren nur in uns, und es entspricht ihnen kein reales Verhältniss. Wir nennen Ordnung was unserm Wesen und unsern Zwecken förderlich zu seyn scheint, Unordnung was das Gegentheil wirkt. Die Natur ist ein Ganzes, worin jedes Einzelne nothwendig wirkt, wie es wirken muss und, ohne es selbst zu wissen, nur zur Erhaltung des Ganzen dient. Will man das Wort Zweck hier anwenden, so hat die Natur den Zweck sich zu erhalten, dieser Zweck, der eigentlich nichts Andres ist als das Seyn selber, ist es der erreicht wird; einen andern Zweck haben auch die einzelnen Dinge für sich nicht: jedes sucht sich zu erhalten. Diese Tendenz nennen die Physiker Trägheit (oder auch Gravitation gegen sich selbst) und sie ist ganz dasselbe mit dem was die Moralisten Selbstliebe nennen. 1)

Es ist nämlich ein Irrthum, wenn man einen Unterschied machen will zwischen Physischem und Moralischem. Der Mensch ist nichts Andres als ein Theil der Welt und also ein bloss materielles Wesen. Dass man nun einen solchen Unterschied gemacht hat, und dabei so weit gegangen ist, in dem Menschen eine Zweiheit von Wesen anzunehmen, dies ist so zu erklären: Wir bemerken

bei genauerer Beobachtung zwei verschiedne Arten von Bewegungen, die eine besteht darin dass sich die ganze Masse eines Körpers zugleich aus einem Ort in den andern begibt, diese ist unsern Sinnen unmittelbar wahrnehmbar; die andre geht innerhalb des Körpers selbst vor und besteht in einer Veränderung des Verhältnisses seiner Molecülen zu einander, diese Veränderung nehmen wir nicht unmittelbar wahr, sondern wir erkennen sie erst nach einiger Zeit aus ihren Wirkungen. Bewegungen, dieser letztern Art treten uns im Gährungsprocess entgegen, im allmählichen Zunehmen einer Pflanze oder eines Thieres, endlich in denjenigen unmerklichen Bewegungen in unserm Gehirn, die wir mit dem Namen der intellectuellen Thätigkeiten, Denken, Wollen u. s. w. bezeichnen. Der Mensch nun fühlt in sich solche innere unsichtbare Bewegungen, er erfährt ferner, dass durch sie sichtbare Bewegungen hervorgebracht werden (Bewegungen der Hand z. B.), weil er nun nicht begreift wie beide zusammenhängen, fingirt er in sich selbst eine Substanz, die er von sich unterscheidet, und die er zu der eigentlichen Ursache jener Bewegungen seiner Organe macht. Er schreibt ihr dabei Eigenschaften zu, welche ganz von denen seiner Organe verschieden sind. Kurz der Mensch verdoppelt sich so selbst, und sieht sich nun an als aus zwei verschiednen Substanzen bestehend, deren Vereinigung freilich unbegreiflich ist, da beide keine Analogie mit einander haben. Von diesen beiden soll die eine den Eindrücken der Il, I.

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