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Frankreich an verschiednen Orten, theils in Berlin, theils in Gotha, theils in Colmar zubrachte, siedelte er sich endlich in Ferney an, wo ihn ein ansehnliches, frühe schon durch Finanzspeculationen erworbenes, Vermögen in Stand setzte einen sehr angenehmen, von Fremden aller Art gefeierten, Haushalt zu führen. In seinem letzten Lebensjahre endlich begab er sich wieder nach Paris, wo er, in der That durch die erlebten Triumphe erschöpft, am 30. Mai 1778 starb.

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So unangenehm Einem auch Voltaire's Character seyn mag, so heisst doch ihm keine Bedeutung zuschreiben weder ihn noch seine Zeit verstehn. Leider hört man gerade in Deutschland oft Urtheile dieser Art. Es ist aber kaum je ein Mann gewesen, der nur durch die Gewalt seines Genies ein solches geistiges Uebergewicht nicht nur über sein Volk sondern über alle Gebildeten erlangt hätte, wie er, ein Uebergewicht welches alle Schwächen und Kleinlichkeiten seines Characters nicht schwä chen konnten. Mit Recht sieht Göthe in ihm eine Concentration seiner Nation; ihn,,den höchsten unter den Franzosen denkbaren der Nation gemässesten Schriftsteller" nennen, heisst ihn richtiger würdigen, als über ihn die Achsel zucken. Seine dramatischen Arbeiten nehmen noch jetzt eine hohe Stelle ein, seine historischen Werke sind von Historikern erster Grösse gerühmt und verdienen, namentlich mit gleichzeitigen Leistungen verglichen, ein grosses Lob. Nimmt man nun hiezu noch die Leichtigkeit

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der Darstellung, die Stärke der Leidenschaft, mit der er den Gegenstand zu dem seinigen machte, den nie versiegenden Witz, mit dem er Alles niederschlägt, was sich ihm entgegenstellt, so hat man in ihm den Mann, der geschaffen war, in allen Gebieten eine Revolution hervorzubringen. Wenn von Voltairescher Philosophie die Rede ist, so muss man nicht ein philosophisthes System erwarten. Im Gegentheil war seine Bedeutung, die bisherigen Resultate der Systeme von den Schranken des Systemes zu befreien. Was man seine Oberflächlichkeit genannt hat, ist darum eben seine Stärke. Er ist eben so wenig bis zu dem äussersten Extrem fortgegangen, sondern hat nur den Boden geebnet, auf dem das Aeusserste einen empfänglichen Grund finden konnte. Seine Philosophie besteht eigentlich nur in einem, immer wieder hervortretenden, Streben, in dern, die positive christliche Lehre zu vernichten. Dies hat er als seine Mission angesehn und oftmals ausgesprochen. Er ist nicht Atheist. Im Gegentheil, er behauptet das Daseyn eines höchsten Wesens, und hält eine solche Annahme für so nothwendig, dass er einmal sagt, wenn es keines gäbe, so müsste man eines schaffen. Er leugnet, dass nur angenommen werden dürfe was man beweisen könne; Vieles müsse man annehmen und dürfe es annehmen, wenn es nur nicht Unmöglichkeiten in sich enthielte. Man hat deswegen nicht mit Unrecht behauptet, dass manches Werk von Voltaire, welches von der Geistlichkeit verdammt

und als atheistisch verschrieen wurde, dreissig Jahre später für ein religiöses Buch gelten konnte. Mit einem fanatischen Hass aber verfolgt was dem positiv Christlichen angehört; er mag die Hoffnung nicht aufgeben dass es ihm möglich seyn werde, das Christenthum aus der Welt zu schaffen, und sucht zu diesem Ziele Hülfe wo er kann, sey es nun im Verbreiten irreligiöser Schriften, sey es indem er einen Monarchen zur Verfolgung des Christenthums auffordert. Je mehr äussere Umstände ihn stacheln, um so mehr steigt hierin seine Wuth, während er solche, offenbar atheistische, Ansichten wie sie vom Système de la nature ausgesprochen worden, detestirt. Eben so hat er Ordnung und Vorsehung in der Welt nicht verworfen, obgleich immer wieder dem Optimismus in ernster wie in scherzhafter Form (Candide) sich widersetzt, und also wo der Glaube daran zu sicher zu seyn schien, ihn zu erschüttern gesucht. Die Freiheit hat er insofern nicht geleugnet, als er dem Men. schen die Fähigkeit zuschreibt, seinen Neigungen zu widerstehn: La Mettrie wird von ihm ein Narr genannt; eben so aber zeigt er anch wie die Zufälligkeiten in dem Leben des Menschen von Wichtigkeit sind, und die Sache bleibt in suspenso. Was endlich die Immaterialität und Unsterblichkeit der Seele betrifft, so steht er hinsichtlich der ersteren ziemlich auf Lockes Standpunkt d. h. er behauptet die Möglichkeit ihrer Materialität, hinsichtlich der letztern tritt er meistens als Zweifler auf; er hält

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den Glauben daran für nützlich, und dies mag ihn mit bewogen haben, ihn nicht direct anzugreifen. Die vorzüglichsten Werke die seine philosophischen d. h. antireligiösen Ansichten enthalten, sind theils in seinem philosophischen Dictionnaire zerstreut enthalten, theils unter der allgemeinen Ueberschrift Philosophie in den Sammlungen seiner Werke enthalten. In der Ausgabe welche in Gotha 1786 in 70 Octavbänden erschien, bilden sie die Bände 32 - 35. Hier findet sich sein Examen important de Milord Bolingbroke, hier sein Dieu et les hommes, hierin seine Commentare zur Bibel u. s. w.

2. Die ganze Natur Voltaires machte es unmöglich, dass er mit dem bedachtsamen methodischen Schritte, den die Wissenschaft verlangt, seine Ansichten vorgetragen hätte. Er war geschaffen, durch die Macht seines Genies sich zu unterwerfen, indem er überraschte und blendete; er war nur fähig als leidenschaftlicher Feind aufzutreten, aber Gründe und Gegengründe abzuwägen, war nicht das Geschäft eines Mannes, der oft sein persönli[ches Wohl und selbst seine Sicherheit aufs Spiel gesetzt hat, ehe er einen witzigen Einfall unterdrückte. Auf eine stillere aber eben deswegen consequentere und weiter gehende Weise geschah dies durch eine literarische Erscheinung jener Zeit,

die eben weil sie ganz die Frucht derselben ist, in ihr wieder einen fruchtbaren Boden fand, der französichen Encyclopädie. Wie encyclopädische Werke für ein grösseres Publicum immer dann ein Bedürf niss werden, wenn das, was in streng systematischer Form gewonnen wurde, bereits so in das allgemeine Bewusstseyn getreten ist, dass die Gebil-i deten nun auch wünschen mit dem eigentlichen Ursprunge der herrschenden Idee bekannt zu werden, so kam jenes, in seiner Art ausserordentliche, Werk einem allgemeinen Bedürfniss entgegen. Die immer mehr zum Materialismus gewordene empiristische Philosophie war dabei wohl geeignet in einer Weise vorgetragen zu werden wo sie Jedem zugänglich gemacht und Jeder eben darum mit dem Gefühl erfüllt werden konnte, Philosoph zu seyn. Die Mitarbeiter an diesem Werke, dann aber auch die Geistesverwandten derselben werden oft mit einem Gattungsnamen als die Encyclopädisten bezeichnet. Wir betrachten nur Einen derselben, den eigentlichen Urheber dieses Werks, der dabei in seiner Zeit gewiss das grösste philosophische Talent ist.

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