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stab, nach welchem sowol der einzelne Mensch als auch ein grösseres Ganze unsere Handlungen beurtheilt. Daher wären diejenigen Handlungen im eminenten Sinne gute Handlungen, welche dem Interesse Aller entsprächen; solche gibt es nicht, und daher wird der Kreis zu beschränken seyn, dessen Interesse gesucht werden soll. Helvetius beschränkt ihn auf seine Nation, und so ergibt sich ihm als Definition der Tugend, sie bestehe darin, das Wohl seiner Nation zu suchen. Daher fallen ihm die wirklichen Verdienste mit den politischen Verdiensten, die wirklichen Laster mit den politischen Vergehen ganz zusammen. Von ihnen sind Verdienste und Vergehen des Vorurtheils unterschieden, nämlich solche Handlungen, die dem öffentlichen Wohl nicht nützen oder schaden. Helvetius gibt nicht undeutlich zu verstehn, dass die Erfüllung oder Verabsäumung religiöser Pflichten hierher gehöre, da hieraus für das Wohl Aller gar nichts folge. Die wahre, allgemeine, Religion kann nichts andres fordern, als das Wohl des Ganzen, also nur politische Tugend. Eine wahre Moral wird deswegen auch nichts Andres enthalten können, als das politische Gesetzbuch enthält, der Moralist und Gesetzgeber fallen zusammen. Zugleich aber ergibt sich aus dem aufgestellten Begriff des Guten und der Tugend, was eine wahre Moral als das Motiv des Handelns aufzustellen hat. Nach Helvetius ist es eine Absurdität zu verlangen, dass ein Mensch d-s Gute um des Guten willen thue. Dies kann er so

wenig, als er das Böse um des Bösen willen will; Will deswegen die Moral nicht ganz unfruchtbar bleiben, so muss sie die Kühnheit haben das wahre Princip alles Handelns, die sinnliche Lust und den sinnlichen Schmerz, d. h. den Eigennutz auch wirklich als solches zu behandeln. Wie darum die richtige Gesetzgebung durch Lohn und Strafe, d. h. durch Eigennutz zum Befolgen der Gesetze bewegt, so wird auch eine richtige Moral die seyn, welche zeigt, dass das Verbotene nur ist, was zum Ueberdruss u. s. w., kurz zur Unannehmlichkeit bringt. Wie die Moral bis jetzt beschaffen war, wo sie statt das eigne Interesse mit ins Spiel zu bringen, nur dagegen polemisirte, musste sie nothwendig fruchtlos seyn. 4)

Das System des Eigennutzes, welches Helvetius aufgestellt hatte, ist nun zu Grunde gelegt in den moralischen Werken Saint Lambert's, namentlich in seinem Catéchisme universel. Es ist ein Versuch aus der Selbstliebe die einzelnen Pflichten abzuleiten. So oberflächlich die historische Einleitung zu diesem Werke ist, eben so oberflächlich auch die ganze Ableitung. Vorausgeschickt ist dem Catéchisme eine Analyse de l'homme und eine Analyse de la femme, dann eine Abhandlung de la raison eingekleidet in die Beschreibung eines Utopiens. Es folgt darauf der Catéchisme selbst, welcher zuerst die Begriffe der hauptsächlichsten Leidenschaften in Fragen und Antworten erörtert, die um so sonderbarer sich ausnehmen, da sie sogar für ein

jugendliches Alter bestimmt sind; auf diese Notions folgen dann die Préceptes, welche die gewöhnlichen moralischen Vorschriften enthalten, manchmal zurückgeführt auf die Selbstliebe, gewöhnlich aber nicht; endlich der dritte Theil des Catéchisme handelt von der Selbstprüfung (de l'examen de soi même) und erzählt in sehr breiter Weise, wie diese Regeln im einzelnen Fall Gelegenheit zur Selbstprüfung geben würden. Hierauf hat St. Lambert noch einen weitläuftigen Commentar des Catéchisme folgen lassen. Je besser hierin zum Theil die moralischen Grundsätze sind, um so mehr ist auch dabei die Consequenz und der wissenschaftliche Werth verschwunden. Das grosse Ansehn, das St. Lambert eine Zeitlang genossen hat, machte die Erwähnung seines Werkes nothwendig.

§. 14.

Hinneigung zum äussersten Extrem dieser Richtung in dem Beginn der französischen Aufklärung.

So weit auch durch die dargestellten Systeme dem höchsten Extrem des Realismus vorgearbeitet war, so konnte es doch nicht auftreten, so lange noch von dem allgemeinen Bewusstseyn dem Geiste der Vorzug eingeräumt ward, dass das Weltbeherrschende Wesen ein gei

stiges sey, und so lange es noch dem widersprach, dass der Geist eben wie alle andern materiellen Dinge nur durch Stoss und Druck, nicht durch eigne Thätigkeit sich bewege, eben wie sie in dem Kreislauf der Dinge eine ephemere Existenz habe. Diese (letzten) Säulen eines jeden Spiritualismus müssen erst in der allgemeinen Bildung erschüttert seyn. Dies geschieht, besonders in Frankreich, zum Theil durch Männer die, so gross sie in sonstiger Hinsicht da stehn, doch der Geschichte der Philosophie direct nicht angehören, wie Voltaire; zum Theil wirken zu diesem Zwecke Männer, die zwar das grösste philosophische Talent haben, deren Beruf aber mehr ist, ihre Speculation im leichteren Gewande der ganzen gebildeten Welt vorzulegen, als, ein systematisches Ganze zu geben: so einige Mitarbeiter an der Encyclopädie, vor Allen Diderot; endlich gehört hierher ein Mann, der, ob er gleich mehr durch Keckheit blendet als durch gründliche Untersuchungen belehrt, und daher

sich den Tadel selbst seiner Geistes - Verwandten zugezogen hat, dennoch jenem Ziele näher geführt hat, de la Mettrie.

1) Wenn später Kant, mit im Gegensatz gegen den französichen Materialismus, ein solches Gewicht legte auf die drei praktischen Ideen Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, so lag dem das richtige Bewusstseyn zu Grunde, dass die Selbstständigkeit (Autonomie) des Geistes mit ihnen auf das Genauste zusammenhänge, und aufgegeben werde, sobald jene fallen. Ihrer muss sich daher entledigt haben, welcher den Muth haben soll, die Verzweiflung an allem Geistigen auszusprechen. Ist nun aber die Philosophie nicht eine isolirte Erscheinung in dem Leben des Volkes, sondern erscheint sie immer wieder als auf die Zeit- und Volks-Vorstellungen gegründet, welche selbst wieder auf das sich stützen, was früher von der Philosophie errungen ward (vgl Th. I. Abth. I. Einl. p. 18), so werden auch diesse Ueberzeugungen erschüttert werden müssen nicht nur in Einzelnen, sondern in der Totalität der Gebildeten. Nur wo dieses geschehen ist, wird die weitere Consequenz im philosophischen Gebiete auftreten können. So sieht man deshalb in England die

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