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eine transscendentale Erkenntniss nennt. Eine transscendentale Erkenntniss ist nach Kant *) diejenige, welche sich beschäftigt nicht mit Gegenständen, ,,sondern mit unserer Erkenntnissart, sofern diese a priori möglich sein soll." Locke dagegen schliesst gleich anfänglich (stillschweigend) alles a priori Erkennen aus, daher ist seine Untersuchung keine transscendentale, sie ist rein empirischer Art. Seine Untersuchung will nur eine descriptive Darstellung dessen sein, was ihm die blosse Beobachtung des Verstandes gezeigt hat, so will er als seine einzige Aufgabe dies anerkennen, mög lichst treu der Natur des Verstandes zu folgen, und sein Thun beim Denken zu beschreiben. Er ist also bei dieser Untersuchung reiner Empiriker, weil er voraussetzt, dass nur der Empiriker wirklich erkenne. Da nun aber zu einer solchen Beobachtung kein andrer Verstand gegeben ist, als nur der eigne, so ist jene Beobachtung Selbstbeobachtung; die Beschreibung wird daher zunächst freilich nur zeigen können, wie der eigne Verstand denkt, es wird aber dabei vorausgesetzt, dass auch der Verstand Andrer kein andres Verfahren beobachte. Das, was im Acte des Denkens das Object des Verstandes ist, bezeichnet Locke mit dem Worte Idee, so dass darunter alles das mit befasst ist, was man sonst wohl Vorstellung, Begriff, Bild u. s. w. zu nennen pflegt, und nichts anderes dar

*) Kant Kr. d. r. Fn. 5te Aufl. Einl. p. 25.

unter zu verstehen ist, als was im Acte des Denkens das unmittelbare Object unseres Verstandes ist. Das Wort Begriff braucht er bloss für eine bestimmte Art von Ideen. Im Gebrauch des Wortes Idee trifft Locke also darin mit Malebranche zusammen, dass Beiden das eigentliche Object des Denkeus nicht das Ding ist, sondern die Idee davon, nur dass bei Locke von einer ewigen (Prä-) Existenz der Ideen nicht die Rede seyn kann. Eben weil Ideen zu haben das Resultat der Thätigkeit des Verstandes ist, kann die ganze Untersuchung, welche es mit der Beobachtung der Functionen des Verstandes zu thun bat, mit eben dem Rechte eine Untersuchung über die Ideen genannt werden, da Denken Ideen haben. Demgemäss wird nun als der Gang der ganzen Catersuchung dieser bezeichnet: Zuerst soll untersucht werden, welches der Ursprung der Ideen ist, welche der Mensch in sich findet, und wie er zu ihnen kommt. Fürs Zweite soll gezeigt werden, was denn der Verstand an diesen Ideen eigentlich hat, and wie weit das Bereich derselben, so wie ihre Evidenz geht (Inhalt und Umfang der Ideen). Endlich sollen sich daran Untersuchungen über die Natur und die Gründe des Fürwahrhaltens, so wie über die verschiedenen Grade desselben schliessen. Der erste Punkt wird nun im ersten Buche negativ, positiv im Anfange des zweiten erörtert; den zweiten behandelt das ganze übrige zweite Buch; er wird besonders ausführlich von

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Locke behandelt; der dritte Punkt findet seine Erörterung besonders im vierten Buche; das dritte Buch endlich enthält eine eingeschobene Untersuchung über die Bedeutung der Sprache für das Denken, so wie Warnungen gegen den Missbrauch der Worte, da ein grosser Theil der Missverständnisse und Irrungen nach Locke nur darin seinen Grund hat, dass Worte mit wenig oder gar keinem Sinn als Zeichen besonders tiefer Speculation gelten, während sie eigentlich nur eine leere Stelle in unserer Erkenntniss anzeigen. 2)

Dem angegebenen Plane gemäss beschäftigt sich nun die Untersuchung zuerst mit dem Ursprunge der Ideen, und zwar hat sie zunächst einen nur negativen Character, indem sie zu zeigen sucht, dass die Meinung, als gebe es angeborne Erkenntnisse und Ideen, irrig sey. Dieses durchzuführen ist die Aufgabe des ersten Buches.

Es ist nämlich bei Vielen eine ganz feststehende Meinung, dass es im Verstande gewisse, Allen gemeinsame, Principien gebe, xoivaì vvocaι, welche unsere Seele gleich mit ihrem Entstehen empfange und mit auf die Welt bringe. Zwar müsste eigentlich jeder Unbefangene jene Meinung für grundlos halten, sobald man zeigte, dass der Mensch, auch ohne dass sie ihm angeboren sind, durch seinen blossen Vernunftgebrauch zum Besitz jener Erkenntnisse eben so kommen kann, wie der, welcher ein sehendes Auge hat, zur Idee von Farbe kommt, ohne dass sie ihm angeboren ist, allein weil

von einer Meinung, die einer älteren entgegentritt, verlangt zu werden pflegt, dass sie die letztere erst widerlege, so werden zuerst die Gründe anzuführen sein, welche es unwahrscheinlich machen, dass jene Principien angeboren sind. Gewöhnlich beruft man sich, um ihr Angeborenseyn zu beweisen, darauf, dass sie eine allgemeine Geltung ohne Ausnahme bei Allen haben. Dieser Beweis hat das Ceble, dass, wenn auch jenes Factum richtig wäre, er doch nichts bewiese, sobald man die allgemeine Uebereinstimmung auch anders erklären könnte. Was aber noch schlimmer ist, ist dies, dass man die Richtigkeit jenes Factums in Abrede stellen muss, da es in der That gar keine Grundsätze gibt, welche allgemein zugestanden werden. Fangen wir nämlich bei theoretischen Sätzen an, so werden die Grundsätze:,,Was ist, ist," und ,,Es ist unmöglich, dass ein und dasselbe Ding sey und nicht sey," gewiss am meisten Anspruch darauf machen können, zu jenen xovais tvvolaus zu gehören, aber es ist nicht der Fall, dass sie wirklich allgemein zugestanden sind. Kinder und Idioten haben keine Vorstellung von diesen Principien, auch die Ungebildeten wissen von diesen abstracten Sätzen Nichts, diesen allen sind also jene Sätze auch nicht eingeprägt. Denn behaupten: sie seyen wohl dem Verstande eingeprägt, er wisse es aber nur nicht, ist einen offenbaren Widerspruch behaupten, da doch unter:,,im Verstande seyn," nichts Anderes verstanden werden kann, als: „Gewusst werden."

Was man nicht weiss, ist deswegen auch nicht in ⚫der Seele. 3)

Um diesem Einwande zu begegnen, sagt man : alle Menschen stimmten diesen Sätzen bei, wenn sie ihre Vernunft richtig anwendeten, und dies sey genug, um zu beweisen, dass sie angeboren seyen. Dies kann nun Zweierlei heissen: Entweder, dass, wenn die Menschen ihre Vernunft anwenden, sie dadurch in Stand gesetzt würden, diese Wahrheiten zu entdecken, und ihnen ihre Zustimmung zu geben, oder es heisst: sobald die Menschen ihre Vernunft gebrauchen, so kommen ihnen auch sogleich jene Principien zum Bewusstsein. In welchem Sinne man aber auch jene Antwort nehme, immer verfehlt sie ihr Ziel. Denn wenn man damit das Erstere meint, dass nämlich der Vernunftgebrauch jene Principien entdecken lässt, so spricht dies gerade dagegen, dass sie angeboren sind. Wären sie dieses, so dürften sie nicht erst durch Vernunftschlüsse entdeckt werden, da nur solches erschlossen wird, was bisher nicht gewusst ward. Darum hiesse angeborne Erkenntnisse entdecken lassen, offenbar sagen, dass ein Mensch wisse und nicht wisse zugleich. Auch das rettet nicht von diesem Widerspruch, wenn man sagt, der Verstand habe diese Erkenntnisse nur implicite, nicht explicite, denn wenn dies einen bestimmten Sinn haben soll, so kommt es auf dasselbe hinaus, nämlich dass der Verstand jene Sätze erkennen kann, dann aber müsste man am Ende

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