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natürlichen Gemeinschaft leben; die Gemeinschaft der Menschen dagegen ist ein Kunstproduct, welches nur durch eine äussere Gewalt hervorgebracht wird. Einer solchen bedarf es bei den Menschen, weil keine hundert beisammen seyn können ohne Hader und Streit. Eine solche äussere Gewalt aber ist die Furcht, und aus ihr ist jede menschliche Gemeinschaft, so wie jeder Staat hervorgegangen. Daher gründet sich die Gesellschaft durchaus nicht auf die wohlwollenden Neigungen, oder auf die Tugenden und Verläugnungen der Selbstsucht, sondern moralische und physische Uebel- liessen sie entstehn. Eben so unrichtig ist es, wenn von jenem Standpunkt aus behauptet wird, dass dem Menschen die Liebe zum Nächsten angeboren sey, weil er ja Mitleiden, Sympathie empfinde. Man vergisst dabei, dass die letzteren mit der ersteren gar nichts zu schaffen haben. Liebe zu Andern (charity) findet im strengen Sinne des Wortes nur dort Statt, wo wir gauz ohne das geringste Interesse die Liebe, die wir zu uns selbst hegen, auf Andere übertragen. Im Mitleiden dagegen, einem Gefühl, welches sich bei allen Menschen, den schwächsten aber am meisten, zeigt, ist das Gefühl eigner Unannehmlichkeit die Hauptsache. Es beruht deswegen nur auf Selbstliebe. Nicht nur aber dass jene Lehre unrichtig sey, Mandeville erklärt sie auch für gefährlich, einmal darum, weil sie den Menschen träge mache, und dazu anleite sich in seiner Neigung gehn zu lassen, während die andere Lehre ihm

zumuthe sich zu überwinden, dann aber weil keine einzige Lehre so geschickt sey, den Menschen über sich selber zu betrügen, und so sehr dazu anleite, die schlechtesten Regungen in sich selbst, wie Ehrsucht, für etwas Vortreffliches, für Wohlwollen und Liebe zu halten. Gerade aber die Selbsttäuschungen, welche es nährt, seyen es, welche jenem System einen solchen Anhang verschaffen, während ein System, wie das des. Verfassers der Fabel, solches Aergerniss errege, nur weil es den Menschen so betrachte, wie er wirklich sey, d. h. als zusammengesetzt aus den mannigfaltigsten Leidenschaften, welche ihn hier- oder dorthin ziehen. Es gehe hiebei wie mit dem Bekenntniss der Sündhaftigkeit, das Jeder auf der Kanzel sich gefallen lasse, das aber ernstlich abzulegen ein Jeder sich scheue, während doch eine genaue Untersuchung von dem was jeder Ehrenmann unbedenklich thue, z. B. des Zweikampfes, uns sogleich zeige, dass was uns treibt durchaus nicht die Rücksicht auf das ist, was Pflicht und Religion uns vorschreiben, sondern vielmehr Furcht vor Schande, die Sorge für die Ehre, die gar kein reales Gut sey, d. h. Eitelkeit und Eigennutz. 2)

Der erste Punkt also, worinn Mandeville dem Standpunkt der Characteristicks entgegentritt, ist, dass er das Factum bestreitet, dass die natürlichen. Neigungen des Menschen mit dem übereinstimmen, was Bestimmung und Zweck seiner als eines vernünftigen Wesens ist. Als zweite Prämisse jenes

Standpunktes war (oben sub 2.) bezeichnet die Voraussetzung dass, was wesentlicher Zweck für den Einzelnen ist, mit dem Zweck des Allgemeinen-zusammenfalle. Auch diese zweite Voraussetzung widerlegt Mandeville, und zwar ist die Widerlegung derselben der eigentliche Hauptzweck seiner Fabel. Was nun hier zuerst die Form betrifft, in welcher er seine Lehre vorträgt, so ist der Gang der Fabel dieser : Ein Bienenstock enthielt einen Bienenschwarm, der in höchster Blüthe und in der besten Verfassung sich befand; in Allem zeigte sich ein Bild einer menschlichen Gesellschaft, bis in alle Laster und Fehler hinein. Dies wird in einer Charakteristik der einzelnen Stände mit vielem Witz durchgeführt. Diese Schilderung der Verderbniss der Einzelnen schliesst dann mit den Worten:

Thus every part was full of vice

Yet the whole mass a paradise,

und es wird nun nachgewiesen, wie die Verderbtheit der Industrie, und damit dem Wohlleben förderlich gewesen. Ein Glied dieser Gesellschaft, das sich auf die unrechtlichste Weise bereichert hat, wird als ein Handschuhmacher Schaafleder für Bockleder ausgiebt, so ergrimmt, das er weissagt bei solchen Schelmereien müsse das Land zu Grunde gehn; es erhebt sich allgemein die Bitte an die Götter, den Geist der Redlichkeit zu senden. Dies geschieht wirklich. Mit dem Augenblick hört aber auch aller Glanz des Staates auf, allgemeines Elend verbreitet

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sich, weil eine Menge Erwerbszweige aufhören, einem Feinde vermögen sie nicht zu widerstehn, sie werden geschlagen, und der Rest des Staates

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Die Moral die dieser Fabel angehängt ist, so wie die daran sich schliessenden Bemerkungen enthalten nun folgende Lehre:

Wenn wir eine Handlung gut oder schlecht nennen, so betrifft dieses Urtheil viel weniger den Inhalt der Handlung oder auch die Person, welche sie vollführt, als vielmehr nur den Nutzen oder Schaden, welchen die Gesellschaft davon hat. Halten wir diesen Begriff des Guten fest, so tritt auch sogleich deutlich hervor, dass die Tugend des Einzelnen etwas ganz Anderes ist, als was gut ist in jenem Sinne des Wortes. Moralische Tugend findet dort Statt, wo der Mensch auf sich selbst verzichtet; es soll nun gar nicht geleugnet werden, dass der Mensch tugendhaft seyn kann, es soll auch nicht geleugnet werden, dass er dadurch Gott wohlgefällig ist, allein die Gesellschaft wird dadurch nicht erhalten, und das Glück der Nation nicht gemacht: denn da, um dieses zu erreichen das beste Mittel ist, möglichst viel Gelegenheit zur Beschäftigung und zum Erwerb zu geben, so wird Alles ihm nachtheilig seyn, was der Erwerbthätigkeit hinderlich ist. Dies aber sind in der That die Tugenden des Einzelnen. Zufriedenheit ist eine Tugend, sie ist

aber der Industrie gefährlicher, fals die Trägheit selbst. Neid dagegen ist ein Laster, und doch ist er es, der zur Nacheiferung bringt, und der mehr wirkt als alle Ermahnungen. Geiz und Verschwendung sind Laster, und dennoch helfen sie dem allgemeinen Wohlstand, während die so gepriesene Sparsamkeit dem Allgemeinen Abbruch thut, u. s. w. die Voraussetzung, dass die Menschen, wenn alle jene schlimmen Neigungen in ihnen nicht wären, eben so viel für das öffentliche Wohl thun würden als jetzt, wo sie ihrem Neide u. s. w. folgen, ist ganz und gar unbegründet. Nehme man den Menschen nur den Stolz und den Ehrgeiz, Leidenschaften, welche zu ihrem Inhalt nur eine Chimäre haben, und welche zu einer Menge von Dingen führen, welche mit den Vorschriften der Religion streiten, und man hat ihm ein Triebfeder genommen, die selbst die stärkste Macht, die Todesfurcht überwindet, man hat ihm genommen, was zum Wohl des Ganzen mehr beiträgt als irgend eine Neigung des Menschen. Endlich aber würde das blosse Wohlwollen zu Handlungen bringen, welche dem allgemeinen Wohl geradezu verderblich wären. Es ist nicht zu leugnen, dass dem Bestreben die Armuth und (durch Armenschulen) die Unwissenheit verschwinden zu machen, bei aller Eitelkeit die darin mitspielt, auch Wohlwollen zu Grunde liegt. Man vergisst aber, dass Unwissenheit und Armuth nothwendig sind, wenn man in einem Lande Arbeiter und Industrie haben will, man vergisst dass

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