Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Wird dabei der Standpunkt des Empirismus nicht verlassen, so wird also die Erfahrung (etwa die Selbstbeobachtung) zeigen, dass der Inhalt der natürlichen Neigungen unvernünftig sey, und eben so die Erfahrung (eine Autorität, etwa die religiöse)~ lehren, was Recht sey. Augenblicklich aber wird mit einem solchen Verhältniss der Tugendbegriff verschwinden, und der Pflichtbegriff hervortreten, (das Gute gegen die Neigung ist die Pflicht), der auf einem Standpunkt, wo der Mensch als verderbt gewusst wird, immer hervortritt, und daher im Alterthume nicht sich vordrängt. Zugleich mit dem Factum, dass die natürlichen Neigungen das Rechte vorschreiben, welches die ersté Prämisse zu dem Standpunkt der englischen Moralisten bildet, geht derselbe noch von einer zweiten aus, die gleichfalls als ein Factum angenommen wird, dass nämlich was wesentlicher Zweck des Einzelnen sey, auch den Zweck des Ganzen befördere. Wir haben dieses als Postulat oder als feststehendes Axiom bei den Moralisten hervortreten sehn. Soll ihr Standpunkt verlassen werden, so muss auch dieses Factum bestritten werden, damit nicht die Wagschale des moralisch Guten dadurch, dass es als das erscheint was das allgemeine Wohl hervorbringt, zu schwer wiege. In dem Interesse darum, die vernünftigen, objectiven, Bestimmungen zurücktreten zu lassen, wird jetzt durchgeführt werden, dass diess pflichtmässige Handeln des Einzelnen durchaus Nichts mit dem Wohl des Ganzen zu schaffen habe. Ja II, I.

15

es muss von vorn herein vermuthet werden, dass eben in jenem Interesse die entgegengesetzte Behauptung eher wird ausgesprochen werden. Ohne nun die äusserste Consequenz dieser Richtung durchgeführt zu haben, sind die eben entwickelten Momente hervorgetreten in der berüchtigten Fabel von den Bienen.

Die Bienenfabel

hat zu ihrem Verfasser einen Mann, der aus französischem Blute entsprossen, zu Dort in Holland ums Jahr 1670 geboren wurde, Bernard de Mandeville. Nachdem er Medicin studirt, und darin den Doctorgrad erlangt hatte, begab er sich nach England. Als Arzt machte er kein besonderes Glück, auch als Schriftsteller nicht (er gab im Jahre 1704 eine Bearbeitung der Aesopischen Fabeln und einige eigne Gedichte heraus), bis endlich einige Schriften durch das Aergerniss, das sie erregten, ihm einen Namen verschafften. Nach einer ärgerlichen Satyre auf das weibliche Geschlecht 1), erschien unter einem medicinischen Titel eine Schrift 2), deren Hauptreiz in der witzigen Art bestand, womit er über alle andere Aerzte, so wie die Apotheker sich lustig machte. Am meisten Lärm aber machte seine

1) The virgin unmasked or female dialogues. London 1709. (Ein Gespräch zwischen einer alten Jungfer und ihrer Nichte.)

2) A treatise on the hypochondrick and hysterick diseases. 1711. 3 Vol.

4

Fabel von den Bienen, ein Gedicht von einigen hundert Zeilen, welches zuerst im Jahre 1714 in einem fliegenden Blatte und nachher besonders erschien 3). Weil er hier das Thema durchführte, dass die Laster der Einzelnen dem Wohl des Ganzen eher förderlich als schädlich seyen, ward er von vielen Seiten angegriffen. Er gab daher mehrere Jahre später jenes berüchtigte Gedicht nochmals, unter dem Titel heraus, worunter es so berühmt geworden, zúgleich mit einem Anhange wo er seine Lehre mehr zu begründen suchte *). Da die Angriffe sich nun noch mehrten (auch Hutcheson ist unter jenen Bestreitern), so liess er fünf Jahre darauf den zweiten Band folgen, der besonders dadurch hervorgerufen war, dass die Jury von Middlessex ihn angeklagt hatte. In diesem zweiten Bande wird (jedoch nur scheinbar) Manches gemildert. Viele seiner Ansichten hat er in einer späteren Schrift ) wirklich widerrufen, ohne dass man diesem Widerruf Glauben beigemessen hat. Vielmehr ist es herrschende Ansicht geblieben, dass seine ernstliche Meinung in

3) The grumbling hive or knaves turned honest. London 1741.

4) The fable of the bees or private vlces public benefits, with an essay on charity and charity - schools, and a search into the nature of society. Lond. Vol. I. 1723. Vol. II. [1728. Ausserdem: 1732 (schon die 6te Aufl.) 1755. 1785. Französisch: La fable des abeilles, ou les fripons devenus honnêtes gens, traduit de l'anglois de Mandeville (par J. Bertrand). Londres (Amsterdam) 1740. 4 Vol. 12.

[ocr errors]

5) Enquiry into the origin and usefulness of Christianity etc.

Lond. 1732.

jener berüchtigten Fabel, so wie in seinen Gedanken über die Religion 6) enthalten sey. Das Moralsystem, welches er in jenem Werk vorträgt, ist im Wesentlichen dieses :

Nach der Stellung, die wir demselben angewiesen haben, kann es uns nicht wundern, wenn es sich denjenigen Systemen entgegenstellt, deren Mangel es zu ergänzen hat, den Systemen der angebornen guten Neigungen, und da unter diesen das des Shaftesbury als der eigentliche Mittelpunkt erscheint, diesem. Als das Eigenthümliche dieses Systems erkennt Mandeville ganz richtig dieses, dass es das Gute nicht sowohl in die Ueberwindung der - angebornen Neigung setzt — (wir würden uns so ausdrücken: nicht als Pflicht fasst) — sondern in die Befolgung derselben, (d. h. als Tugend fasst); dieser Lehre nun stellt er selbst sich auf das · Bestimmteste entgegen, und sagt, es könnten zwei Systeme nicht mehr sich widersprechen als seines und das des Lord Shaftesbury. So schön die Lehren des Letzteren klängen, und so schmeichelhaft sie für die menschliche Natur seyen, so müsse doch im strengsten Gegensatz gegen sie behauptet werden, dass Nichts gut, oder, da dieses Wort eine Doppelsinnigkeit in sich enthält, nichts von moralischem Werthe (virtue) sey, als was einen Sieg über die natürliche Neigung in sich enthalte. Da es also hier der Pflichtbegriff ist, den Mandeville

®) Free thoughts on religion, the church, government etc. London 1720. Franz. Amst. 1723,

geltend macht, so kann man ihm, so wenig es ihm · auch sonst mit seiner Uebereinstimmung mit der geoffenbarten Lehre Ernst gewesen seyn mag, nicht ganz Unrecht geben, wenn er sich den christlichen (d. h. modernen) Begriff des Guten vindicirt, dagegen den Lord Shaftesbury anklagt, einen heidnischen Standpunkt geltend machen zu wollen. (vgl. p. 124.) 1)

Er sucht nun jenen Standpunkt zu widerlegen, indem er zuerst die Schwäche der Gründe nachweist, auf welche er sich stützt: Gewöhnlich pflegt man sich auf dass Factum zu berufen, das dem Menschen ein Trieb zur Geselligkeit angeboren, und er also durchaus kein bloss selbstsüchtiges Wesen sey. =Allein, wenn der Geselligkeitstrieb ein Beweis des guten Naturells wäre, so müsste er sich bei den Besten doch am meisten zeigen. Die Erfahrung aber lehrt, dass die Leersten und Werthlosesten am wenigsten allein zu seyn vermögen. Hiezu aber kommt, dass sich positiv nachweisen lässt, dass was den Menschen zur Geselligkeit bringt, in der That nur die Rücksicht auf sich selbst ist, und dass gerade seine schlechten Neigungen, so wie allerlei natürliche Mängel den Menschen dahin bringen, sich mit andern zu verbinden. Im Stande der Unschuld, und wo die Natur ihm keine Hindernisse entgegenstellte, wäre er wahrscheinlich ungesellig geblieben. An und für sich scheint der Mensch gerade am wenigsten zur Geselligkeit geneigt zu seyn, und steht darin den Thieren nach, welche Heerden bilden, und in einer

« AnteriorContinuar »