sein Beschützer zum Grafen von Shaftesbury und Lord Grosskanzler von England ernannt wurde, erhielt Locke einen ansehnlichen Posten, den er indess nur bis zum Ende des folgenden Jahres inne hatte, indem mit der Ungnade des Grafen auch ihm die Entlassung gegeben wurde. Auf einer Reise nach Frankreich, im Jahre 1675, machte er zuerst die Bekanntschaft mit Herbert, nachmaligem Grafen von Pembroke; die enge Freundschaft, die sich zwischen beiden bildete, erklärt es, warum Locke sein Essay dem Grafen widmete. Während dieser Zeit hatte der Graf Shaftesbury sein früheres Ansehn erlangt und berief Locke im Jahre 1679 zu sich. Auch jetzt dauerte seine Anstellung nicht lange; der Graf, abermals in Ungnade gefallen, zog sich nach Holland zurück, wohin Locke ihm folgte. Der Graf starb bald darauf, aber Locke war darum nicht sicher. Er gerieth in Verdacht, mit vielen unzufriednen Engländern gemeinschaftliche Sache gemacht zu haben, und erfuhr mancherlei Unbill und Nachstellungen von England aus; sie zwangen ihn endlich, einen verborgenen Aufenthalt zu wählen, in welchem er im Jahre 1685 seinen Brief über die Toleranz in lateinischer Sprache schrieb, der aber erst im Jahre 1689 nur mit der Andeutung seines Namens 3) erschien. Im Jahre *) Der Titel dieses Werks lautet: Epistola de tolerantia ad clarissímum virum T. A. R. P. T. O. L. A. (d. h. Theologiae apud Remonstratenses Professorem, tyrannidis osorem, Limturgium Amstelodamensem) scripta a P. A. P. O. J. O. 4. 11, 1. 2 1687 beendigte er sein Essay, es erschien davon aber nur erst ein kurzer Abriss in französischer Sprache in einem gelehrten Journal. Nachdem er im Jahre 1688 mit dem Prinzen von Oranien nach England zurückgekehrt war, erschien im Jahre 1689 dieses berühmte Werk) zuerst vollständig, welches, in viele Sprachen übersetzt ), und in immer neuen Auflagen erschienen, des Verfassers Namen unsterblich gemacht hat. Neben diesen Untersuchungen waren es solche von mehr praktischer Art, die ihn um dieselbe Zeit beschäftigten. Einige Schriften von politischem und national-ökonomischem Interesse ) beweisen seine Vertrautheit mit (d. h. Pacis amico, persecutionis osore, Joanne Lockio, Anglo) Gouda 1689. 12. 4) An essay concerning human understanding in four books. London 1690. fol. Nachher sehr oft. 5) Französisch: Essay philosophique concernant l'entendement humain où l'on montre, quelle est l'étendue de nos connoissances certaines, et la manière, dont nous y parvenons, traduit de l'anglais par Mr. Coste sur la quatrième édition, revue, corrigée et augmentée par l'auteur. Amst. 1700. 4. Diese Uebersetzung hat durch die Bemerkungen von Locke selbst Vorzüge vor den ersten Auflagen des Originals. Lateinisch von Burridge: de intellectu humano Lond. 1691. fol. und nachher öfter; von Thiele Leipz. 1731. S. Deutsch von H. Engelh. Poleyen Altenb. 1757. 4. von Tennemann Leipz. 1795-1797. 3. Th. S. 6) Two treatises on government und Some considerations of the consequences of lowering the interest, and raising the value of money, in a letter sent to a member of parliament in the Beide Werke s. in: The works of Locke in ten rolumes Lond. 1812. 8vo. Fol. 5. year 1691. diesen Gegenständen. Ueberhaupt gab es kaum ein Feld des Wissens, sofern es eine Beziehung aufs Leben hat, auf das sich Locke nicht gewagt hätte. Im Jahre 1693 erschien seine Schrift über die Erziehung ). Eine andere Schrift), welche im Jahre 1695, vielleicht im Auftrage Wilhelms III., um eine Verständigung mit den Dissenters zu versuchen, von ihm verfasst ward, erfuhr von einem Dr. Edwards einen sehr heftigen Angriff. Die Erläuterungen, welche Locke dazu gab, liessen ihn in den Augen aller Unbefangenen als siegreich erscheinen. Als bald darauf Toland in seinem Werke ,,Christianity not mysterious" sich einiger Beweise aus Locke's Essay bediente, und einige Unitarier dasselbe thaten, gab dies dem Dr. Stillingfleet, Bischof von Worcester, Veranlassung, in einer Schrift über die Trinität einige Lehren Locke's als neologisch und gefährlich anzuklagen. Hiedurch entstand ein Schriftwechsel zwischen beiden, welcher Locke Gelegenheit gab, seine Ansicht zu erläutern ) und siegreich darzustellen. Ein einträgliches Amt, welches er seit dem Jahre 1695 bekleidete, musste er wegen asthmatischer Beschwerden, und weil die Luft von London ihm schädlich war, aufgeben. ") Some thoughts concerning education. Ebendas. Vol. 9. *) The reasonableness of Christianity, as delivered in the Scriptures. Ebendas. Vol. 7., wo sich auch noch zwei Erläuterungsschriften gegen Dr. Edward finden. ") Alle diese Schriften enthält die angegebene Ausgabe von Locke's Werken im 4ten Bande. Die letzten Jahre brachte er meistens in Oates in der Grafschaft Essex, im Hause des Sir Masham (des Schwiegersohnes von Cudworth) zu, wo er am 28. October 1704, zwei und siebenzig Jahre alt, starb. Ein edler und offner Charakter tritt uns in Locke entgegen, Rechtlichkeit und Wahrheitsliebe machen die Grundzüge desselben aus, und die Verhältnisse, in welchen sich sein Leben bewegte, dienten dazu, ihn trefflich auszubilden. Im Umgange mit den ausgezeichnetsten Geistern, den edelsten Männern seiner Zeit, bildete sich bei ihm jenes feine Gefühl aus, dem jede Rohheit nicht nur als ein Mangel an Form, sondern als ein Fehler des Characters erschien. Wahr gegen Andere, wie gegen sich selbst ein schönes Denkmal wahrer und edler Bescheidenheit ist die Grabschrift, die er selbst sich gesetzt hat - ist er in der Wissenschaft, wie er im Leben war, ein Feind aller Schulpedanterei, noch mehr aber alles Unbestimmten, und dessen, was die wahre Meinung verhüllt. Klarheit und Präcision, eine Offenheit, die nicht hinter dem Berge hält, oder innere Leerheit durch hohle Phrasen verbirgt, er polemisirt viel gegen den Gebrauch tiefklingender und Nichts bedeutender Worte ist das Characteristische seiner Schriften. Erscheint er in diesem Bestreben mehr scharfsinnig als tief, so ist dabei zu bedenken, welches die Aufgabe war, die ihm gestellt war, bei ihr kam es auf den Scharfsinn am meisten an; man muss dann ferner die Nationalität des Denkers nicht ignoriren Vieles erscheins uns jetzt breit und zu ausführlich, was es čaumals tucht war, was es bloss ist, wed wir e Besnitate seiner Philosophie in der gewöhnlichen Bildung uns angeeignet haben. Locke hat nicht nur für seine Nation, sondern für die Welt, eine neue Anschauungsweise geltend gemacht, jene hat ein Recht, in dem, was er geleistet, ein würdiges Denkmal des brittischen Geistes zu ehren. Im Wesentlichen wurzelt die englische Philosophie noch jetzt in dem, was Locke zuerst ausgesprochen hat. Seine Werke sind oft erschienen, zuerst im Jahre 1714 in fol., nachher sehr oft. Ein vollständiges Register alles dessen, was von ihm gedruckt ist, ist in der von uns citirten Ausgabe enthalten. §. 3. Philosophie des John Locke '). Das Ziel, welches sich Locke in seinem berühmten Werke vorgesetzt hatte, erinnert unwillkührlich an die Aufgabe, die ein Jahrhundert später Kant sich stellte, ja fast mit denselben Worten, wie später Kant, stellt uns Locke den Zweck und die Nothwendigkeit seines Unternehmens dar: 1) Vgl. besonders Tennemanns Abhandlung im dritten Theil seiner Uebersetzung. Ausserdem sind viele Kritiken dieses Standpunkts erschienen. |