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zugleich diesem Allgemeinen dienen. Schönheit ist deswegen Wahrheit, sie ist richtiges Verhältniss, Harmonie. Was harmonisch und im richtigen Verhältniss ist, ist schön, ist wahr, ist gut. Vorzugsweise kommt nun das Prädicat gut und schön den menschlichen Handlungen zu, und da diese ihre eigentliche Quelle in den Neigungen haben, so sind diese auch hinsichtlich ihrer Werthbestimmungen zu betrachten. Die unnatürlichen Neigungen sind in keinem Fall gut; die beiden andern Arten von Neigungen können gut oder schlecht seyn, je nachdem sie einen verschiednen Grad haben. Wäre nämlich der Mensch nur ein Einzelwesen, so würde die Selbstliebe schlechthin gut seyn; wäre er nur Theil eines grössern Ganzen, so wären es die wohlwollenden Neigungen. Da er aber beides ist, so wird nur dann jede dieser Neigungen gut seyn, wenn sie mit der andern in Harmonie steht. Eine zu starke Selbstliebe ist daher etwas Schlechtes, eben so aber auch die zu einem unnatürlichen Grade gesteigerte gesellige Neigung. Die übertriebne Selbstliebe, welche nämlich der Neigung zum Gan- · zen zu nahe tritt und mit ihr streitet, ist was man Selbstsucht nennt, und ist etwas Schlechtes. Eben so aber auch der Mangel jeder Selbstliebe, den man wohl so zu bezeichnen pflegt, dass man von dem Menschen sagt, er sey zu gut. Nur indem wir beides in ein harmonisches Verhältniss bringen, harmoniren wir mit der Natur und mit dem Universum, zu welchem wir gehören. Das Fehlerhafte

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also und Uebertriebne in jenen fehlerhaften Neigungen besteht nicht sowol in dem hohen Grade derselben schlechthin, als wäre eine sehr grosse Selbstliebe etwas Schlechtes, sondern nur in ihrem abnormen Verhältniss zu der andern Neigung. Eine schwache Selbstliebe kann zu gross seyn und fehlerhaft, wenn die gesellige Neigung noch schwächer ist. Eben so auch umgekehrt. Damit aber fällt auch der Begriff des Guten mit dem des Wohls, und der des Schlechten mit dem des Uebels zusammen, und so ist denn auch für Shaftesbury der gehörige Grad der geselligen Neigungen, eben wie er gut ist, eben so auch das wahrhafte Mittel zum Wohl und zur Glückseligkeit; die übertriebne Selbstliebe ist ein Uebel, die unnatürlichen Neigungen machen elend. Die Tugend fällt mit dem Wohl zusammen, beide bestehn in dem Genuss des Schönen, und so kommt er denn, nachdem er zuerst als das Ziel der Philosophie das Gute bestimmt hat, itzt zu einer andern Begriffsbestimmung: Philosophie ist das Streben nach Glückseligkeit, und da Jeder mehr oder minder dies Streben hat, so muss auch von Jedem gesagt werden, dass er, bewusst oder unbewusst, philosophire. 3)

Es entsteht nun nur noch die Frage, wenn das Gute und Schöne in der richtigen Harmonie besteht, was entscheidet darüber, ob eine solche Harmonie Statt findet oder nicht? Diese Entscheidung setzt nun Shaftesbury erstens in ein angebornes Gefühl des Guten und Bösen, welches angeborne Gefühl er

wohl auch Instinct nennt, und worunter er etwas E versteht, was nicht Resultat der Kunst oder Bildung ist, sondern etwas Ursprüngliches, durch die Natur Gesetztes. Die Polemik Lockes nämlich gegen die angebornen Ideen hält er für schlagend höchstens gegen das Wort angeboren. Der Sache nach habe Locke ganz Unrecht, denn sonst müsse man Tugend und Laster auf blosse Satzungen zurückführen, was eben so absurd wäre, als wollte man den Grund, warum die Vögel nisten, in einer äussern Satzung finden. Es ist ein angeborner Instinct also, welcher über das Schöne und Nichtschöne entscheidet. Dieser Instinct ist Vernunft-Instinct, daher kommt er weder den niederen Geschöpfen zu, noch auch dem Menschen, sofern er sich nur sinnlich verhält; trotz dem aber ist er von der Natur uns eingepflanzt. Daher haben ihn auch alle Menschen, und selbst bei den verschiedensten Ansichten darüber, was gut oder schlecht ist, liegt ein Gemeinsames doch zu Grunde, nämlich der allgemeine Begriff des Guten, der uns von der Natur gegeben ist. Von diesem moralischen Sinn, welcher durch die Natur gegeben ist, und der Keinem abgeht, ist nun unterschieden, was Shaftesbury als ein zweites Princip der Entscheidung zwischen Gutem und Bösem annimmt, und dies ist das moralische Urtheil oder der moralische Geschmack (taste), das was wir Tact nennen möchten. Wie sich nämlich der Tact von dem natürlichen Gefühl dadurch unterscheidet, dass er, obgleich ein Unmittelbares, eine zweite Unmittelbar

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keit ist, weil durch Gewohnheit, Uebung, vermittelt, →eben so behauptet Shaftesbury von ́dem moralischen Geschmack, dass er nicht mit uns in die Welt gekommen, nicht angeboren, sondern durch Arbeit und Mühe erworben sey. Wie der Kunstgeschmack sich bildet, eben so auch der moralische Geschmack. Diesen moralischen Tact auszubilden, ist das eigentliche Ziel der Bildung; er verhält sich also zu dem angebornen moralischen Sinn ungefähr so, wie der gebildete Geschmack des Kunstkenners zu der Empfänglichkeit des blossen Naturalisten. Ueberhaupt tritt auf dem Standpunkt Shaftesbury's, wie das zu erwarten ist, wo nur die Schönheit angestrebt wird, eine grosse Analogie der Tugend und der Kunst hervor, er nennt gar den Tugendhaften einen moral artist, und die Virtuosität im schönen Handeln ist das Ziel, wozu der natürliche Sinn gleichsam das Talent, der gebildete Geschmack das Product der Ausbildung ist. Schönheit athmet, in Platonischem Sinne, dies ganze Moralsystem. 4)

3. Ausgehend von dem Interesse für die consequentere Ausbildung des Realismus ein Standpunkt, den wir zur richtigen Würdigung dieser Ansicht einnehmen müssen haben wir in Shaftes

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bury's Lehre im Vergleich mit Clarke und Wollaston einen Fortschritt anzuerkennen. Er besteht darin, das Shaftesbury das handelnde Subject natürlich determinirt seyn lässt, und ihm daher mehr, als

sie, von seiner Selbstständigkeit genommen hat (vgl. Thl. I. Abth. II. p. 102), Natürliche Neigungen also bestimmen das handelnde Subject. Es sind aber von ihm zwei Neigungen, welche das Handeln bestimmen sollen, angenommen. Die Entscheidung zwi❤ schen beiden ist zwar auch wieder in eine natürliche Determination gesetzt. Allein wir mögen nun den Act des Entscheidens, oder den Inhalt der Entscheidung ins Auge fassen, es wird gesagt werden müssen, dass auf der betretenen Bahn nicht weit genug fortgeschritten worden ist. Hinsichtlich des Ersteren nicht, denn neben dem natürlichen Gefühl wird zugleich der, durch eigne Thätigkeit und Uebung hervorgebrachte, auf Kritik und Beurthei lung beruhende, Geschmack zum Richter gemacht, und damit also über die natürliche Determination hinausgegangen. Hinsichtlich des zweiten aber eben so wenig. Denn Princip des Empirismus ist es, dass das Subject sich möglichst passiv verhalte gegen Alles, womit es zu thun hat. Im Praktischen wird daher diesem Standpunkt gemäss seyn, diejenige Neigung als die allein oder doch vorzugsweise berechtigte anzusehn, welche verlangt, dass das Sub ject sich hingebe. Dies geschieht bei Shaftesbury noch nicht, sondern bei aller Neigung, welche er

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