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seyn muss, Erkennen aber nur Erfahren, passives Aufnehmen ist, so ist diesem Moralsystem eine rein empirische Grundlage gegeben. Unsere Erkenntniss der Dinge soll also unsere Handlungsweise bestimmen. Soll. Denn würde er es als ein Factum aussprechen, so träte er mit seiner eben betrachteten Trennung des Theoretischen und Praktischen in Widerspruch. Der Wille wird nicht so von der Erkenntniss determinirt, dass er ihr folgen müsste, die Möglichkeit ist gesetzt, dass er ihr nicht folgt, aber nur wenn er es thut, ist die Handlung gut. Der Gedankengang in diesem Moralsystem ist im Wesentlichen dieser: Die ursprüngliche Verschiedenheit der Dinge bedingt verschiedne Verhältnisse unter ihnen. Manche Combinationen derselben sind angemessen, manche nicht (fitness or unfitness of the application of different things or different relations one to another). Nach dieser ihrer gegenseitigen Angemessenheit richtet sich selbst Gott, und daher ist es die erste, ja einzige Verpflichtung des Menschen, die Dinge so zu behandeln, wie es ihrer Natur angemessen ist. Wie in der Mathematik gewisse Grössen ein bestimmtes Verhältniss haben, eben so gibt es im sittlichen Gebiete solche Verhältnisse, welche, von keiner positiven gesetzlichen Bestimmung abhängend, dem Unterschied des Guten und Bösen zu Grunde liegen. Dieser Unterschied hängt nicht vom Willen Gottes ab; nicht weil Gott es will, ist etwas gut, sondern weil es gut ist, will es Gott. Gott selbst kann die Dinge,

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ob sie gleich ihre Existenz von ihm haben, nicht anders als ihrer Natur angemessen behandeln. Eben so wenig ist der Begriff des Guten abzuleiten aus der Rücksicht auf das allgemeine Beste. Zwar wird mit der angemessnen Behandlung aller Dinge das allgemeine Beste gewiss erreicht, allein es ist deswegen schon nicht Princip der Moral, weil, was wirklich zum allgemeinen Besten dient, nur ein unendlicher Verstand erkennen kann, das Princip des sittlichen Handelns aber Jedem erkennbar seyn muss. Die ewigen und unveränderlichen Verhältnisse der Dinge, so wie ihre Uebereinstimmung oder Nichtübereinstimmung u. s., w. sind unserem Verstande erkennbar, und durch diese Erkenntniss kann sich der Wille bestimmen lassen, ja er muss es, wenn er nicht will, dass die Dinge etwas Anderes seyn sollen, als sie sind. Das ursprüngliche und normale Verhältniss ist, dass sich der Wille eben so der Natur und Beschaffenheit der Dinge unterwirft, wie der Verstand sich einer bewiesenen Wahrheit unterwirft. Er kann aber, kraft seiner Freiheit, dies auch unterlassen, und es sind ausser dem Mangel richtiger Erkenntniss, namentlich die Leidenschaften, die ihn zu dem letztern bringen. Mit seinem Willen soll er, mit seinem Verstande muss er sich durch die Beschaffenheit der Dinge bestimmen lassen. Thut er es nicht, so ist er eben so unvernünftig, als wollte er einen Beweis nicht zugeben; es ist nämlich: den Andern nicht behandeln, wie wir wollen, dass er uns behandle, ganz eben so

unvernünftig, als wollten wir sagen 2+3 sey wohl =5, aber 5 sey nicht =2+3. Eine solche unvernünftige Handlung leugnet durch die That eine Wahrheit. Dass dies geschieht, hat nur in falschen Meinungen und schlechter Sitte seinen Grund. Trotz dem aber üben alle moralischen Verpflichtungen eine Art Zwang über uns aus, weil nämlich in allen Menschen, auch den Verderbtesten, ein Gefühl sich findet, das sie Gutes und Böses unterscheiden lässt, und überall laut spricht, wo nicht das eigene Interesse mit ins Spiel kommt, daher am meisten bei der Beurtheilung Andrer. 4)

Nachdem Clarke dann aus diesem Princip die Pflichten gegen Gott, die Nebenmenschen und sich selbst abgeleitet hat, geht er zu einer Vertheidigung der christlichen Religion über, die nur theologisches Interesse hat.

§. 9.

Die englischen Moralisten *).

Die englischen Moralsysteme dieser Zeit haben das Eigenthümliche, dass sie weniger den absoluten Werth der Handlung, als vielmehr nur den Grund hervorheben, aus dem sie hervorgeht, und die Folge, die sie hat.

') Vgl. Schleiermacher Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre. Berlin 1803.

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Indem daher nicht sowol dies das Treibende ist, was die Dinge und der Handelnde seyn soll, als was sie sind, sind diese Systeme, selbst wo der theoretische Standpunkt ihrer Urheber ein andrer seyn sollte, Empirismus im praktischen Gebiete. Eudämonismus ist deshalb ihr Character. Zu den wichtigsten Repräsentanten dieses Standpunkts gehört Wollaston, welcher, indem er in der Wahrheit das Moral-Princip sieht, das gute Handeln von der richtigen Erkenntniss der Dinge abhängig macht, und bei der näheren Bestimmung seines Princips sich in Vielem dem Clarke annähert. Hatten diese beiden zwar den determinirenden Grund in die Objecte gesetzt, dagegen es dem Belieben des Subjectes anheimgestellt, ob es ihm folgen wolle, so sucht Shaftesbury auch, wie es sich bestimmen muss, aus der natürlichen Beschaffenheit des handelnden Subjectes abzuleiten. Diesem sind Neigungen angeboren, und die Harmonie zwischen der angebornen Selbst

liebe und dem natürlichen Wohlwollen, die der moralische Sinn und Geschmack verlangt, gibt der Handlung ihren Werth. Hutcheson endlich leitet gleichfalls die Handlung aus angebornen Willensdeterminationen ab, aber nur eine derselben gibt der Handlung einen Werth, die wohlwollende. Indem er also zum Moralprincip dies macht, dass der Mensch der natürlichen Neigung folge, welche die Objecte als die Hauptsache ansehn, und sich ihnen hingeben heisst, kann er als der Fortbildner der Lehre des Shaftesbury angesehen werden, und der mit ihr die vorhergenannte vereinigt hat.

1. Schon bei Clarke wurde bemerkt, dass ein Moralsystem, hei welchem die Natur der Dinge das Handeln besame, auf dem Standpunkt des Empirismus stene. Es aimat nämlich das Theoretische and Prazene ais Catersch.ednes an, and ordnet zugleich das Letzters dem Erueren unter, womit es sich in fen schnestendsten Gegensatz stellt gegen alle die rationalistischen Moralsysteme, welche die Bestimmung nur in das autonomische Subject setzen.

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