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4. Was endlich das Wie des Erkennens be

trifft, so ist den in Rede stehenden Ansichten, wie gezeigt wurde, dieses gemeinsam, dass das Erkennen nicht sowohl ein Erzeugen ist, als vielmehr ein Empfangen. Allen Mystikern dieser Periode ist das Erkennen nur die Folge einer von Aussen empfangenen Offenbarung. Gegen diese verhält sich der Mensch passiv. Die passiven Vermögen sind es deswegen, nach Poiret, welche die eigentlichen Erkenntnisse geben, die activen geben blosse schattenhafte Vorstellungen. Auf das Zusammensetzen der empfangenen Erkenntnisse soll sich die Activität des Geistes beschränken, der nichts zu erzeugen vermag. Eben so aber wie nach ihrer Lehre der Mensch, um zur wahren Erkenntniss zu kommen, sich passiv verhalten muss gegen den offenbarenden Gott, eben so findet sich bei ihnen, bestimmter oder unbestimmter ausgesprochen, die Ansicht, dass der Geist zur Erkenntniss der sinnlichen Dinge nur komme vermöge der Eindrücke von Aussen. Diese Verschmelzung des Supranaturalismus mit den Anfängen des reinen Empirismus ist nichts Abnormes. Vielmehr liegt eine Consequenz darin, wenn einmal die Bestimmung des Geistes ist, sich nur passiv zu verhalten, dass

er dana sich, mit Poiret za reden, ganz gleich passiv verhalte gegen das göttliche wie gegen das äusserliche natürliche Licht. (Die Erscheinung, dass auch in unsern Tagen von Seiten eines supranaturalistischen Dogmatismus der reine Empirismus und Sensualismus als diejenige Form der Philosophie angesehn wird, die sich mit dem Christenthum am besten vertrage, ist aus dieser Verwandtschaft beider Standpunkte zu erklären.) Je mehr aber dieses Bestreben entsteht, um so mehr muss auch das Verlangen hervortreten, den Geist der materiellen Welt gegenüber als eine tabula rasa anzusehn, bestimmt dazu, von ihr die Charactere zu empfangen, jede erzeugende Thätigkeit aber ihm abzusprechen. Cudworth streitet noch dagegen, dass der Geist nur passiv sei, er spricht ihm noch angeborne Ideen zu. Diese sind zwar nicht von ihm erzeugt, sondern von Gott ihm eingedrückt, allein dies ist doch eine Passivität nur Gott gegenüber, den materiellen Dingen gegenüber verhält sich der Geist auch thätig, eben weil er ewige Wahrheiten in sich trägt. More lässt bereits die äussern Eindrücke nothwendig seyn, damit der Geist überhaupt zu Erkenntnissen komme, aber diese werden doch noch nicht nur von diesen Eindrücken erzeugt, sondern liegen

als Potenz bereits in dem Geiste, in welchem ste nur angeregt werden. Viel weiter geht Poiret: die Ideen sind ihm nichts Ewiges mehr, daher auch Alles, was aus den Ideen abgeleitet wird, bei ihm unsicher wird. So die mathematische Erkenntniss, weil sie über das Sinnliche a priori bestimmen will. Wo der Geist nicht aus sich die Erkenntniss producirt, sondern sie von den Dingen empfängt, da erst ist sie sicher und gewiss. Die sinnliche Gewissheit ist nach ihm zweifelsfrei, dagegen die Vernunfterkenntniss es nicht ist. Wo der Geist wahre Erkenntniss hat, hat er sie nur, indem er durch den Gegenstand mit seiner Form,,bekleidet" wird. Daher ist der Geist auch den sinnlichen Dingen gegenüber nur der weiche Stoff, dem sich ihre Form einprägt. Noch entschiedener tritt dies bei den Skeptikern hervor. Im Gegensatz gegen den antiken Skepticismus, welcher, in ächt idealistischem Geiste, mit den Zweifeln an den einzelnen materiellen Dingen begann, hat der moderne Skepticismus immer mit dem Empirismus sich verbanden (wie später bei Hume), oder wenigstens ihm in die Hände gearbeitet. So sehn wir bei den Skeptikern dieser Periode die Neigung dazu, die Eindrücke von Aussen als Hauptquelle der Erkennt

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niss zu fassen. Dem Le Vayer sind sie etwas viel Sichreres als die Axiome der Vernunft, ja Huet sagt schon geradezu, der einzige Weg, auf welchem Ideen in den Geist kommen, seyen die Sinne.

5. In allen diesen Punkten ist bereits der erste Schritt dazu gethan, was (Th. I. Abth. II. p. 102) als die Aufgabe des Realismus erkannt war; aber nur furchtsam hat der philosophirende Geist diesen Schritt gethan, und steht noch weit vom Ziele, daher die mindere Bedeutung dieser Systeme, denn ohne Muth gibt es keine Heroën. Noch hat der Geist es nicht gewagt, das Allgemeine ganz wegzuwerfen und nur den Einzelwesen eine eigentliche Realität zuzuschreiben. Er hat es noch nicht gewagt, gegen sich selber gerichtet, sich von dem, was,,blosser Gedanke" ist, abzuwenden, und nur mit dem sich zu beschäftigen, was ihm als ein Reelleres erscheint, dem Materiellen. Zwar misstrauisch gegen sich selbst, hat er es doch noch nicht gewagt, offen seinen Banquerout auszusprechen, indem er sich als leer bekennt, und nur von der Aussenwelt Hülfe für seine Leerheit erwartet. Er hat es noch nicht dazu gebracht, dass er, ganz auf sich verzichtend, zwar das Seyn des Materiellen nicht bezweifelt, wohl aber zweifelhaft wird an sich

selber und seiner Existenz. Das Verdienst nun, diesen nothwendigen Schritt zum Ziel hin (und also vorwärts) gemacht zu haben, gehört dem Engländer John Locke, dem Vater des modernen Empirismus und Materialismus. Zwar kann die Aufgabe, die er sich gestellt hat, unerfreulich erscheinen, und mit mehr Bewunderung sich der Blick auf seinen grösseren Antagonisten wenden, der im Gegensatz gegen ihn, den Geist als die allgenugsame, Alles in sich tragende und aus sich erzeugende Monade erkannte. Aber staunt der Beschauende gleich mit grösserer Erhebung den Pfeiler an, der die Kuppel des Doms trägt, dem Bauverständigen ist das Gewölbe nicht minder bewundernswerth, worauf die Pfeiler sich stützen. Der Empirismus ist in der Entwicklung der Philosophie ein so nothwendiges Moment, als die Monadologie des Leibnitz. Die Darstellung der Philosophie des Locke wird zeigen, wie in ihr ein weiterer Schritt zur Ausbildung der, als nothwendig erkannten, Einseitigkeit gemacht wird, und wie in allen von den Skeptikern und Mystikern angedeuteten Punkten er als der weiter Ausbildende erscheint. Dies Verhältniss allein wird gemeint, wenn gesagt wird, die Skeptiker und Mystiker bildeten den Uebergang

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