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war, beide Seiten als gleich berechtigt zu nehmen, so war doch dort (vgl. Th. I. Abth. 1.) den geistigen Einzelwesen subjectiv ein grösserer Werth zugeschrieben, indem der Geist sich als das am meisten Erkannte und Erkennbare, seine Existenz als das Gewisseste wusste. „Mens notior corpore" blieb auch bei den meisten Cartesianern ein feststehender Satz. Wenn Malebranche diesen Satz bestritt, so geschah es nicht, weil er die geistigen Einzelwesen herabsetzen wollte, sondern sein dem Descartes entgegengesetzter Ausspruch ging aus derselben Vorliebe für die geistigen Einzelwesen hervor, und aus demselben Vorzug, den er ihnen gab. Nur war ihm das Erkennen etwas Anderes als dem Descartes. Erkennen hiess dem Malebranche (ähnlich wie bei Spinoza) nur: als Accidens Gottes (in Gott) betrachten. Nun wurden aber von ihm nur (oder doch vorzugsweise) die materiellen Dinge als bloss accidentell genommen, er musste daher den materiellen Dingen eine grössere Erkennbarkeit zuschreiben, und dies streitet nicht mit seinem idealistischen Ausspruch, nach welchem die Existenz der Körperwelt für das Erkennen derselben nicht einmal nöthig sey. Hier dagegen zeigt sichs ganz anders; jetzt wird den materiellen Dingen eine Geltung

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im Geiste zugeschrieben, die sie früher nicht hatten. Descartes hatte sie gleichsam nur gezwungen gelten lassen, bei ihm hatte der Geist, wenn er sie gelten liess, doch den Trost, er sei für sich selber das Gewisseste, und die Gewissheit der sinnlichen Dinge hänge von der Gewissheit seiner selbst ab. Jetzt aber wird ihnen an und für sich Gewissheit zugeschrieben, ja eine Gewissheit, die sich mit der Selbstgewissheit des Geistes messen kann, wenn sie nicht gar dieselbe übertrifft. Bei Poiret kommt den körperlichen Dingen eine eben so gewisse Existenz zu, wie das sich erkennende Ich sich selber zuschreibt. Bei den Skeptikern, welche, wie es in der Weise des Skepticismus überhaupt liegt, vorzugsweise sich mit der Frage nach der Gewissheit und Festigkeit der Erkenntniss beschäftigen, gestaltet sich dies noch anders. Bayle bestreitet die Selbstgewissheit des Ich, und polemisirt gegen die Axiome der Vernunft mehr, als gegen die Existenz der sinnlichen Dinge. Le Vayer erklärt ausdrücklich, die sinnliche Erkenntniss habe doch noch mehr Sicherheit als die durch Vernunftschlüsse, und dem Huet ist entschieden das Wesen des Verstandes viel unbegreiflicher noch, als das Wesen der Dinge.

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4. Was endlich das Wie des Erkennens betrifft, so ist den in Rede stehenden Ansichten, wie gezeigt wurde, dieses gemeinsam, dass das Erkennen nicht sowohl ein Erzeugen ist, als vielmehr ein Empfangen. Allen Mystikern dieser Periode ist das Erkennen nur die Folge einer von Aussen empfangenen Offenbarung. Gegen diese verhält sich der Mensch passiv. Die passiven Vermögen sind es deswegen, nach Poiret, welche die eigentlichen Erkenntnisse geben, die activen gében blosse schattenhafte Vorstellungen. Auf das Zusammensetzen der empfangenen Erkenntnisse soll sich die Activität des Geistes beschränken, der nichts zu erzeugen vermag. Eben so aber wie nach ihrer Lehre der Mensch, um zur wahren Erkenntniss zu kommen, sich passiv verhalten muss gegen den offenbarenden Gott, eben so findet sich bei ihnen, bestimmter oder unbestimmter ausgesprochen, die Ansicht, dass der Geist zur Erkenntniss der sinnlichen Dinge nur komme vermöge der Eindrücke von Aussen. Diese Verschmelzung des Supranaturalismus mit den Anfängen des reinen Empirismus ist nichts Abnormes. Vielmehr liegt eine Consequenz darin, wenn einmal die Bestimmung des Geistes ist, sich nur passiv zu verhalten, dass

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eru dann sich, mit Poiret zu reden, ganz gleich passiv verhalte gegen das göttliche wie gegen das äusserliche natürliche Licht. (Die Erscheinung, dass auch in unsern Tagen von Seiten eines supranaturalistischen Dogmatismus der reine Empirismus und Sensualismus als diejenige Form der Philosophie angesehn wird, die sich mit dem Christenthum am besten vertrage, ist aus dieser Verwandtschaft beider Standpunkte zu erklären.) Je mehr aber dieses Bestreben entsteht, umso mehr muss auch das Verlangen hervortreten, den Geist der materiellen Welt gegenüber als eine tabula rasa anzusehn, bestimmt dazu, von ihr die Charactere zu empfangen, jede erzeugende Thätigkeit aber ihm abzusprechen. Cudworth streitet noch dagegen, dass der Geist nur passiv sei, er spricht ihm noch angeborne Ideen zu. Diese sind zwar nicht von ihm erzeugt, sondern von Gott ihm eingedrückt, allein dies ist doch eine Passivität nur Gott gegenüber, den materiellen Dingen gegenüber verhält sich der Geist auch thätig, eben weil er ewige Wahrheiten in sich trägt. More lässt bereits die äussern Eindrücke nothwendig seyn, damit der Geist überhaupt zu Erkenntnissen komme, aber diese werden doch noch nicht nur von diesen Eindrücken erzeugt, sondern liegen

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als Potenz bereits in dem Geiste, in welchem sie nur angeregt werden. Viel weiter geht Poiret: die Ideen sind ihm nichts Ewiges mehr, daher auch Alles, was aus den Ideen abgeleitet wird, bei ihm unsicher wird. So die mathematische Erkenntniss, weil sie über das Sinnliche a priori bestimmen will. Wo der Geist nicht aus sich die Erkenntniss producirt, sondern sie von den Dingen empfängt, da erst ist sie sicher und gewiss. Die sinnliche Gewissheit ist nach ihm zweifelsfrei, dagegen die Vernunfterkenntniss es nicht ist. Wo der Geist wahre Erkenntniss hat, hat er sie nur, indem er durch den Gegenstand mit seiner Form,,bekleidet“ wird. Daher ist der Geist auch den sinnlichen Dingen gegenüber nur der weiche Stoff, dem sich ihre Form einprägt. Noch entschiedener tritt dies bei den Skeptikern hervor. Im Gegensatz gegen den antiken Skepticismus, welcher, in ächt idealistischem Geiste, mit den Zweifeln an den einzelnen materiellen Dingen begann, hat der moderne Skepticismus immer mit dem Empirismus sich verbunden (wie später bei Hume), oder wenigstens ihm in die Hände gearbeitet. So sehn wir bei den Skeptikern dieser Periode die Neigung dazu, die Eindrücke von Aussen als Hauptquelle der Erkennt

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