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gar verschwunden seyen dies heisst eigentlich seine particulare Ueberzeugung zur allgemeinen Norm machen aber wenn diese angebornen Grundsätze entstellt und verdunkelt werden können, so würden wir sie bei Kindern und Ungebildeten in ihrer grössten Reinheit finden, können sie aber nicht entstellt oder erstickt werden, so müssten sie bei Allen gelten. Wofür man sich entscheiden möge, immer wird man mit der Erfahrung in Widerspruch treten, so dass Nichts übrig bleibt, als auch hinsichtlich der praktischen Grundsätze zuzugestehn, dass es keine angebornen gibt. 5)

Dass es aber weder theoretische noch praktische Grundsätze, die angeboren sind, geben kann, erhellt leicht, wenn man, die als solche angegeben werden, näher betrachtet. Jeder dieser Sätze besteht nämlich als Satz aus mehreren Ideen, sind diese nicht angeboren, so können es auch die Sätze nicht seyn, die aus ihnen gebildet werden. Wie wenige Ideen aber bringt ein Kind auf die Welt? Will man, wie man doch muss, wenn man den Satz des Widerspruchs für eine angeborne Erkenntniss ansieht, behaupten, dass das Kind die Begriffe Unmöglich und Selbigkeit schon habe, Begriffe, die so weit von den Gedanken des Kindes entfernt sind, dass sie (der letztere z. B.) vielen Erwachsenen noch fehlen? Ist es bei einer Idee wichtig, zu wissen ob sie angeboren ist oder nicht, so ist dies der Falf bei der Gottes-Idee, da von ihr alle moralischen Grundsätze abhängen, indem der Begriff

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eines Gesetzes einen Gesetzgeber voraussetzt. Hätten nun auch wirklich alle Menschen diese Idee → (die Atheisten nicht nur, sondern eigentlich auch alle, die eine Mehrheit von Göttern lehren, zeigen, dass dem nicht so ist) so würde daraus nicht folgen, dass sie angeboren ist, denn es konnte wohl ein vernünftiges Geschöpf, wie der Mensch ist, indem es die Weisheit Gottes in Allem anschaute, zu dieser Idee durch Vernunftschlüsse kommen. Man pflegt nun wohl, wenn man auf die Atheisten hinweist, zu sagen: alle weisen Männer hätten diese Idee. Würde daraus folgen, dass sie angeboren ist, so müsste man dies auch von der Tugend sagen. Ein andres Räsonnement ist dieses: es lasse sich von Gott wohl erwarten, dass er hinsichtlich einer so wichtigen Wahrheit den Menschen nicht werde im Dunkeln gelassen haben. Allein dieses Argument beweist zu viel, da mit demselben Grunde man auch sagen könnte, es lasse sich von Gott erwarten, dass er hinsichtlich aller Wahrheit den Menschen nicht im Dunkeln lassen werde. Uebrigens hat Gott seine Güte durchaus nicht verleugnet, wenn er dem Menschen zwar keine angebornen Ideen, wohl aber die Fähigkeit gegeben hat, durch Anwendung seiner Vernunft alles das zu finden, was ihm Noth thut. Auch hier sucht man endlich vergeblich eine Ausflucht, wie oben bei den Grundsätzen, wenn man sagt, die ewigen Ideen seyen wohl in dem Verstande, aber unbewusst. Eine Idee, die wirklich im Verstande ist, muss II, I. 3

entweder wirklich wahrgenommen werden, oder ist wenigstens im Gedächtniss, so dass sie wieder zur Wahrnehmung gebracht und als eine bereits dagewesene erkannt werden kann. Es sind deswegen Ideen uns eben so wenig angeboren, wie Künste und Wissenschaften; dass man solche annimmt, ist nur daraus zu erklären, dass einige allgemeine Sätze, sobald man sie hört und versteht, nicht mehr bezweifelt werden. Diese fühlte man sich versucht für angeboren zu halten, und war dies einmal geschehen, so half die alte und falsche Maxime, dass Principien nicht weiter untersucht werden müssten, dies Vorurtheil bestärken. 6)

§. 4.

Fortsetzung.

Ursprung der Ideen. Die einfachen Ideen als erstes Material aller Erkenntniss.

Die Untersuchung im ersten Buche hatte nur das negative Resultat gegeben, dass es weder Grundsätze noch Ideen gebe, die angeboren sind. Locke geht nun dazu über, nachzuweisen, wie die Ideen entstehn, und dieser positive Theil seiner Untersuchung bildet den Anfang des zweiten Buche in seinem Werke. Da durch das erste widerlegt war, dass in dem Verstande sich Etwas ursprüng lich finde, so geht er davon aus, ihn ursprünglich gleich einem weissen Papier, worauf Nichts geschrieben ist, zu setzen, und fragt dann, indem

nun Beobachtung und Erfahrung ihm die Antwort geben sollen: wie kommt der Verstand zu Ideen? Wie diese Frage beantwortet werden wird, liegt auf der Hand: dass Locke, um Antwort zu erhalten, sich nur an die Erfahrung wendet, zeigt, dass er nur in ihr die Lehrmeisterin des Geistes voraussetzte. Dieser seiner Voraussetzung gemäss gibt er sich daher die Antwort: Alle Ideen kommen dem Verstande aus der Erfahrung, auf welcher alle Erkenntniss beruht, und von der, als ihrem Principe, sie abhängt. Die Erfahrung selbst ist aber eine doppelte, entweder entsteht sie durch die Wahrnehmung äusserer Gegenstände, und die Ideen, die sie dem Verstande gibt, hängen dann von den Sinnen ab, da nennen wir sie Empfindung (sensation), oder sie ist die Wahrnehmung der Thätigkeiten unsres eignen Verstandes, die als Wahrnehmung mit der Empfindung und also dem Sinne Verwandtschaft hat, und deswegen füglich innerer Sinn genannt werden könnte. Indess erscheint der Ausdruck Reflexion (reflection) passender. Bei dieser muss sogleich bemerkt werden, dass, wenn gesagt wurde, sie nehme die Thätigkeiten des Verstandes wahr, dies Wort hier in einem so weiten Sinne genommen ist, dass darunter alle Zustände des Verstandes gemeint werden. Empfindung und Reflexion geben dem Verstande alle seine Ideen, die äusseren Ob, jecte geben die Ideen der sinnlichen Qualitäten, das innere Object (der Verstand) bietet die Ideen

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von den eignen Thätigkeiten dar. Weil die letzteren nicht ohne eine stetige Aufmerksamkeit entstehen, so ist es zu erklären, warum der Mensch (das Kind z. B.) zu den aus der Empfindung stammenden Ideen früher kommt, als zu den Ideen der Reflexion. 7)

Die Frage, wann die ersten Ideen in den Menschen kommen, oder wann der Mensch anfängt zu denken, ist mit der gleich, wann er wahrzunehmen beginnt, denn Ideen haben wahrnehmen. Dies streitet freilich gegen die Ansicht derer, welche behaupten, dass die Seele immer denke, weil Denken für die Seele dasselbe sey, was Ausdehnung für den Körper; nach dieser Meinung müsste der Ursprung der Ideen mit dem Ursprung der Seele zusammenfallen. Jene Ansicht ist aber falsch. Das Denken ist für die Seele, was für den Körper nicht die Ausdehnung, sondern die Bewegung, d. h. es macht nicht ihr Wesen aus, sondern nur eine Thätigkeit derselben. Die richtige Antwort wird daher immer bleiben, dass der Mensch Ideen hat, sobald er empfindet, d. h. sobald vermittelst eines Eindrucks auf ihn Wahrnehmung im Verstande entsteht. Diese Eindrücke kommen von den äussern Gegenständen, welche vermittelst einer körperlichen Affection sich in dem Verstande gleichsam spiegeln und ihr Bild hervorbringen; eben so aber spiegeln sich auch die eignen Zustände des Verstandes in ihm, und bringen ihre Bilder, d. h. die Ideen der Reflexion hervor. Bei der Entstehung beider Arten

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