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von einer Meinung, die einer älteren entgegentritt, verlangt zu werden pflegt, dass sie die letztere erst widerlege, so werden zuerst die Gründe anzuführen sein, welche es unwahrscheinlich machen, dass jene Principien angeboren sind. Gewöhnlich beruft man sich, um ihr Angeborenseyn zu beweisen, darauf, dass sie eine allgemeine Geltung ohne Ausnahme bei Allen haben. Dieser Beweis hat das Ueble, dass, wenn auch jenes Factum richtig wäre, er doch nichts bewiese, sobald man die allgemeine Uebereinstimmung auch anders erklären könnte. Was aber noch schlimmer ist, ist dies, dass man die Richtigkeit jenes Factums in Abrede stellen muss, da es in der That gar keine Grundsätze gibt, welche allgemein zugestanden werden. Fangen wir nämlich bei theoretischen Sätzen an, so werden die Grundsätze:,,Was ist, ist," und ,,Es ist unmöglich, dass ein und dasselbe Ding sey und nicht sey," gewiss am meisten Anspruch darauf machen können, zu jenen xovais vvolais zu gehören, aber es ist nicht der Fall, dass sie wirklich allgemein zugestanden sind. Kinder und Idioten haben keine Vorstellung von diesen Principien, auch die Ungebildeten wissen von diesen abstracten Sätzen Nichts, diesen allen sind also jene Sätze auch nicht eingeprägt. Denn behaupten: sie seyen wohl dem Verstande eingeprägt, er wisse es aber nur nicht, ist einen offenbaren Widerspruch behaupten, da doch unter:,,im Verstande seyn," nichts Anderes verstanden werden kann, als:,,Gewusst werden."

Was man nicht weiss, ist deswegen auch nicht in

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Um diesem Einwande zu begegnen, sagt man; alle Menschen stimmten diesen Sätzen bei, wenn sie ihre Vernunft richtig anwendeten, und dies sey genug, um zu beweisen, dass sie angeboren seyen. Dies kann nun Zweierlei heissen: Entweder, dass, wenn die Menschen ihre Vernunft anwenden, sie dadurch in Stand gesetzt würden, diese Wahrheiten zu entdecken, und ihnen ihre Zustimmung zu geben, oder es heisst: sobald die Menschen ihre Vernunft gebrauchen, so kommen ihnen auch sogleich jene Principien zum Bewusstsein. In welchem Sinne man aber auch jene Antwort nehme, immer verfehlt sie ihr Ziel. Denn wenn man damit das Erstere meint, dass nämlich der Vernunftgebrauch jene Principien entdecken lässt, so spricht dies gerade dagegen, dass sie angeboren sind. Wären sie dieses, so dürften sie nicht erst durch Vernunftschlüsse entdeckt werden, da nur solches erschlossen wird, was bisher nicht gewusst ward. Darum hiesse angeborne Erkenntnisse entdecken lassen, offenbar sagen, dass ein Mensch wisse und nicht wisse zugleich. Auch das rettet nicht von diesem Widerspruch, wenn man sagt, der Verstand habe diese Erkenntnisse nur implicite, nicht explicite, denn wenn dies einen bestimmten Sinn haben soll, so kommt es auf dasselbe hinaus, nämlich dass der Verstand jene Sätze erkennen kann, dann aber müsste man am Ende

alle mathematischen Erkenntnisse angeboren nennen. Meint man aber mit jener Antwort das Zweite, dass nämlich zugleich mit dem ersten Vernunftgebrauch dass Bewusstseyn jener Principien gesetzt sey, so ist die Behauptung falsch, und die Folgerungen daraus übereilt. Die Behauptung ist falsch, weil diese Maximen viel später zum Bewusstseyn kommen, als viele andere Erkenntnisse, und Kinder z. B. viele Beweise ihres Vernunftgebrauches geben, ehe sie wissen, dass ein Ding unmöglich seyn und nicht seyn könne. Es ist nur richtig, dass ohne Räsonnement Niemand zum Bewusstseyn jener Grundsätze kommt, dass aber mit dem ersten Räsonnement auch jene Sätze gewusst werden, ist falsch. Vielmehr sind die ersten Erkenntnisse überhaupt keine allgemeinen Sätze, sondern betreffen die einzelnen Eindrücke. Lange ehe das Kind jenen Satz erkennt, weiss es, dass süss nicht bitter ist. Wer sich recht besinnt, wird schwerlich behaupten wollen, dass die particularen Sätze, wie ,,süss ist nicht bitter," aus den allgemeinen abgeleitet seyen. Wären die allgemeinen Sätze angeboren, so müssten sie aber dem Kinde auch zuerst zum Bewusstseyn kommen, denn es wäre nicht zu begreifen, wie das, was die Natur in ihre Seele geprägt hat, nicht früher zum Bewusstseyn kommen muss als das, was sie nicht in die Seele geschrieben bat. Dies behaupten hiesse sagen, dass die Natur ihr Ziel verfehlt, oder dass sie wenigstens sehr schlecht geschrieben hat. Wäre es aber auch wahr,

dass sogleich mit dem ersten Vernunftgebrauch jene Wahrheiten zum Bewusstseyn kommen und allgemein anerkannt werden, so würde auch dann die Folgerung, dass sie angeboren sind, übereilt seyn. Die Zustimmung nämlich zu gewissen Wahrheiten hängt weder von ihrem Angeborenseyn ab, noch auch vom Räsonnement, sondern, wie sich später zeigen wird, von einer ganz anderen Function des Geistes. Wie kann daher das Angeborenseyn einer Erkenntniss daraus gefolgert werden, dass sie zu derselben Zeit Zustimmung erfährt, wo eine Function des Geistes, die Nichts mit der Zustimmung zu thun hat, zu wirken beginnt? Endlich aber, wenn man auch alles dieses ganz bei Seite liesse, so kann die allgemeine Zustimmung, welche diese Sätze erfahren, deswegen Nichts für ihr Angeborenseyn beweisen, weil sonst nicht nur alle mathematischen, sondern alle Wahrheiten überhaupt angeboren wären. Jene angeführten Sätze haben nicht mehr Anspruch darauf, für angeborne zu gelten, als alle übrigen; haben wir aber von ihnen gefunden, dass sie nicht angeboren sind, so werden es andere theoretische Sätze eben so wenig seyn. 4)

Ist nun von den theoretischen Grundsätzen nachgewiesen, dass sie nicht angeboren sind, so lässt sich dies von den praktischen und moralischen noch leichter darthun. Sie können es deswegen nicht sein, weil jeder praktische Grundsatz einen Beweis verlangt, woraus offenbar folgt, dass er nicht durch sich selbst evident ist, sondern

auf Vernunftschlüssen beruht. Ferner: Würde es praktische Grundsätze geben, die wirklich angeboren sind, so müssten diese allgemeine Geltung haben. Nicht als wenn die allgemeine Gültigkeit eines solchen Grundsatzes sein Angeborenseyn bewiese, denn da nach Gottes Ordnung die Tugend glücklich macht, sie auch im geselligen Verkehre Nutzen gewährt, so könnte es sehr gut seyn, dass Alle, weil es ihren Nutzen fördert, die Tugend preisen und anempfehlen. Also, wenn es auch allgemein anerkannte moralische Grundsätze gäbe, so würde dies Nichts beweisen; es gibt aber auch keine. Der angeborne Trieb nach Wohlseyn, so wie die angeborne Abneigung gegen Schmerz kann nicht angeführt werden, denn dies sind Willensneigungen, aber nicht Grundsätze, nicht Wahrheiten. Selbst der höchste von diesen:,,Thue wie du willst dass dir geschehe," wird nicht befolgt, und wenn das Nichtbefolgen auch nicht beweisst, dass die Regel nicht gekannt wird, so ist doch, wenn ganze Nationen es öffentlich bekennen, dass irgend eine moralische Regel nicht befolgt werden müsse, dies ein offenbarer Beweis, dass diese Regel keine angeborne Wahrheit seyn kann. Nun lehrt aber wirklich das Beispiel der verschiednen Völker, dass es keine moralische Regel gibt, welche bei allen Völkern Geltung hat. Am leichtesten machen sich's freilich die, welche sagen, dass dort die angebornen moralischen Grundsätze durch Erziehung, Gewohnheit u. s. w. verdunkelt, oder

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