Diejenigen Künste hingegen, die sich in ihren Darstellungen und Nachahmungen menschlicher Gefühle und Leidenschaften nur auf ein Moment derselben einschränken müssen, wohin die bildenden Künfte, und insbesondere die Bildhauerkunst und Mah. leren, zu rechnen sind, können, vermöge der Natur ihrer Werke und der ihnen verliehenen Ausdrucksmittel, die die Gegenstände nur im Raume und für das Gesicht darstellen, nicht von allen jenen bemerkten Beschaffenheiten der Zeichen Gebrauch machen. Ihre Gestalten drücken nur ein Moment der Handlung oder des Gefühls, in irgend nur einem Grade, mithin auch nicht fließend, abwechselnd und mannichfaltig, sondern beharrlich aus. Uebrigens sind jene Bestimmungen der Beschaffenheiten der Zeichen, aus der Natur der Gefühle, für die schönen Künste von gar keiner Fruchtbarkeit, und es bedurfte auch keiner weitausholenden Deduction, um hinter diese Beschaffenheiten der Zeichen zu kommen, da sie in dem Zeichen oder dem Materiale, dessen sich der Künstler zur Dar stellung seiner Werke bedient, unmittelbar selbst liegen, und dem Künstler schlechterdings keine Wahl frey bleibt, welches Ausdrucksmittels er sich bedienen und wie er es nach Maaßgabe seiner Beschaf= fenheiten anwenden will. Die Natur des Ausdrucksmittels bestimmt schon von selbst das, was dadurch zu leisten und auszuführen möglich ist. Ohne zu wissen, daß man durch Worte und ihre zweckmåßige Verbindung im Stande sey, den Anfang, Fortgang und die Vollendung irgend eines Zustan des des des Gefühls der Lust und Unlust in der Zeit zu schildern, muß der Dichter und Schauspieler sich nach der unbedingten Forderung seiner Ausdrucksmittel von selbst bequemen, und es ist dem Bild hauer unmöglich seinen Marmor so zu bearbeiten, daß auf seinem Bilde die Leidenschaft, die es ausdrücken soll, durch mehrere Momente der Verände rung fortschreite. An einigen Stellen håtte der Hr. Verf. in Bestimmung der Natur und Beschaffenheit der Gefüh le und Leidenschaften deutlicher seyn müssen. Es ist z. B. schwer zu begreifen, was er bey Nr. 2. unter der Art des Zusammenhanges der einzelnen Theile eines Gefühls oder einer Leidenschaft sich ge= dacht haben mag, und was er bey Nr. 4. unter dem allgemeinenCharakter der Gefühle und Leidenschaften verstehe. Der Verf. bestimmt nunmehr die Zeichen, de ren man sich zum Ausdruck der Gefühle und Leidenschaften bedienen müsse, und den Grad, in welchem Tône, körperliche Bewegungen und Sprache jene angezeigten vier Hauptbeschaffenheiten der Gefühle und Leidenschaften auszudrücken vermögen. »Vorzüglich leisten dieses die Tône. · Sie find noth. wendig an die Form der Zeit gebunden, find aller Grade von Langsamkeit und Geschwindigkeit, aller Grade von Stärke und Schwäche, Lieblichkeit und Rauhigkeit, der Beharrlichkeit und Stetigkeit, fähig, welche sich bey natürlichen Empfindungen und Leidenschaften finden. Der Beharrlichkeit sind fie fähig 1) durch Einheit der Melodie, 2) durch D 4 Ein Einheit der Tonleiter, in welcher ein Stück gefeßt ist, 3) durch Einheit im Zeitmaaße, und 4) auch unstreitig durch Einheit in der Manier des Vortrags. Der Stetigkeit 1) durch die Verwandtschaft jedes melodischen Saßes mit andern; 2) durch die Verwandtschaften der Tonleiter; 3) durch die der Zeit felbft eigene Stetigkeit. Endlich können Töne auch unbeschadet der Einheit, welcher sie durch Beharrlichkeit und Stetigkeit fås hig sind, mannichfaltig seyn, durch die Aus. führung der Melodie, und durch Harmonie, und man kann in dieser Rücksicht die Mannichfaltig, feit in einem Tonwerke in die successive und simul. tanee theilen.« Das alles mögen ganz unbestreitliche Wahrheiten seyn, allein an, für die Tonkunst selbst und für die schöne Kunst überhaupt, nüßlichen und zur Berichtigung und Erweiterung ihrer Theorien dienlichen Folgen sind sie völlig unfruchtbar. Wo, wie hier, die Wahl der Zeichen nicht willkührlich ist, wo sie, wie hier, nicht erst ausgemittelt und erfunden zu werden brauchen, sondern durch die Na tur des Organs selbst schon gegeben sind, da ist jede Anstrengung zur Erforschung derselben und zur Bestimmung ihrer Eigenschaften, da diese schon in ihnen nothwendig liegen, so gut als verschwendet. Wo die Natur schon selbst für die Mittel, Gefühle und Leidenschaften zu åussern, gesorgt hat, und durch sie selbst die Grenzen des Umfangs und Gebrauchs dieser Mittel bestimmt sind, da ist es unnöthig, ihr Vorschriften geben zu wollen, welcher Mittel Mittel fie sich hierzu bedienen soll, und welche Ber schaffenheiten dieselben haben müssen. Uebrigens kann ich den Unterschied, der nach. dem Verf. zwischen Beharrlichkeit und Stetigkeit der Töne statt haben soll, nicht einsehen, da er sich nicht erklärt hat, was er unter beyden versteht. Sollen beyde von einander wirklich verschieden seyn, so müssen sich auch diese zwen Eigenschaf ten der Tone, auf zwey eben so unterschiedene Ei. genschaften der Gefühle und Leidenschaften, denen jene entsprechen sollen, gründen; der Hr. Verf. hat aber nur die Beharrlichkeit der Gefühle und Leis denschaften, als eine Beschaffenheit derselben, angegeben, für die von der Beharrlichkeit unterschie dene Stetigkeit der Töne aber keine besondere ihr entsprechende Beschaffenheit der Gefühle und Leidenschaften angezeigt. Auch findet sich in der Angabe der Art und Weise, wie Töne der Beharrlichkeit, und wie sie der Stetigkeit fähig sind, im Grunde gar kein reeller Unterschied. Der Be= harrlichkeit sind nach dem Verf. die Töne fähig, 1) durch Einheit der Melodie, und der Stetigkeit durch die Vermandschaft jedes melodischen Sahes mit den andern; wenn aber die einzelnen Såße eines Tonstucks in Absicht auf Melodie unter und mit einander verwandt sind, so giebt diese Ver. ·wandschaft oder diese Conformitåt des Ganges der einzelnen Säße schon jene Einheit der Melodie un mittelbar. 2) Soll die Beharrlichkeit der Töne erreicht werden durch Einheit der Tonleiter, die Stetigkeit hingegen durch die Verwandschaft der D 5 Zon 1 Tonleiter; welches eigentlich keinen Sinn hat, wenn ma |