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Un Shakespear's dramatischen Werken kann die Kritik ihre Kräfte erproben, wenn sie zeigen will, daß sie eingedrungen ist in das Wesen der ursprüngs lichen und höchsten poetischen Schönheit. Denn wenn man vom Princip der Regelmäßigkeit ausgeht, und bei der Schäßung poetischer Compositionen vorzüglich nach dem Kunstverstande fragt, der das Ganze ordnete und alle Theile symmetrisch zusam: men fügte; oder wenn man die Feinheit des Ges schmacks eines Dichters nach der Vermeidung alles Unschicklichen und nach der Politur des Ausdrucks abmißt, und das Siegel der poetischen Vollkommens heit in nichts Underem findet, als in der vollendes ten Eleganz; dann, freilich, muß Shakespear so tief unter Corneille und Racine gestellt werden, wie er von französischen Kritikern, nach den bekannten Principien ihrer Kritik, schon öfter gestellt worden ist. Shakespear's Schauspiele erscheinen dann, wenn gleich immer noch als Werke des Genies, doch nur als poetische Mißgeburten, deren Verfasser man bes Flagen muß, weil er nicht nach den Regeln dichtete, denen Corneille und Racine ihre Erfindungen sorgfäls tig unterwarfen. Aber wenn man, ohne übrigens diese Regeln, so weit sie in der Natur gegründet sind, zu verwerfen, die höchste Schönheit eines poes tischen Geisteswerks in der Kraft anerkennt, mit welcher ein reiches und schöpferisches Genie sich der

Natur

(Lond. 1790.), wo auch die lehrreichen Vorreden von Johnson und Pope wieder abgedruckt sind. Malos ne's Attempt, to afcertain the chronological order of Shakespeare's plays verdient Dank und Aufmerksamkeit, obgleich auch dieser Versuch, etwas Gewisses über die Sache auszumitteln, feinesweges befriedigt. Bei eben diesem Herausgeber Shakespear's findet man auch ein Verzeichniß aller früheren Ausgaben.

Natur bemächtigt und, im Wetteifer mit ihr, ets was hervorbringt, das selbst nur vollendete Natur zu seyn scheint und doch nach den Gesetzen einer þō: heren Harmonie, wenn auch nicht immer musterhaft, doch im Ganzen treffend, hinreißend und begeisternd, die Ideen ausspricht, durch die sich der denkende Geist zum Ueberirdischen und Göttlichen erhebt; dann sind Shakespear's Schauspiele, mit allen ihren Fehlern, nicht nur über die Werke von Corneille und Racine zu stellen, sondern überhaupt zu den poes tischen Heiligthümern zu zählen, deren es in der Lits teratur aller Zeiten und Völker nur wenige giebt. Die Fehler, welche Shakespear gegen die unverwerfø lichen Regeln der dramatischen Kunst und des guten Geschmacks begangen hat, fallen dem gemeinsten Kunstrichter in das Auge. Aber die Schönheit, durch die er diese Fehler vergütet, ist die ursprünglis che und wahrhaft poetische, die als ideale Harmonie des Geistes und der Natur im Innersten der Seele empfunden wird, und der Eleganz des Ausdrucks nur als einer Stüße bedarf, um in vollendeter Reins heit empfunden zu werden. Shakespear ist kein claf: fischer Dichter in dem Sinne, wie Sophokles so genannt wird, und wie man sich überhaupt dieses Worts bedient, um die musterhafte Vortrefflichkeit in jeder Hinsicht zu bezeichnen. Noch weniger darf er ein Classiker von denen genannt werden, welche die musterhafte Vortrefflichkeit mit nüchterner Cors rectheit verwechseln. Aber was Shakespear's dras matische Poeste Musterhaftes hat, ist unübertrefflich und unnachahmlich. Kein Dichter hat die Natur unverfälschter in sich aufgenommen und treuer dars gestellt; und kein Dichter hat sich zugleich höher über die triviale Natürlichkeit erhoben und das wirks

liche Leben mit mehr Geistesfreiheit und Originas lität seinen poetischen Ideen unterworfen. Die in nere Wahrheit der. Dichtungen Shakespear's ist so bewundernswürdig, als die Fülle der Phantasie, die überall in ihnen herrscht. Auch nicht die schwächste Spur von Künstelei und Affectation wird man selbst da entdecken, wo die Phantasie dieses Dichters über die Grenzen des Geschmackvollen weit hinausschweift. Auch wo er im Tragischen gegen die Würde, und im Komischen gegen die Schicklichkeit der Darstels lung und des Ausdrucks fehlt, spricht doch immer aus dem Ganzen seiner Erfindungen die reinste und edelste Humanitát ).

Shakespear's dramatisches Genie vereinigte in sich so viele Kräfte und Talente, daß dieser Liebling des Himmels selbst unter den größten Dichtern des Alterthums und der neueren Jahrhunderte beinahe einzig dasteht. Denn tiefer, als Shakespear, hac kein Dichter in das Innerste der menschlichen Seele geblickt; und kein anderer hat eine solche Menge und Mannigfaltigkeit von Charakteren mit gleicher Wahrs heit und Wärme in poetischen Compositionen zusams mengestellt. Die Summe seiner Schauspiele ist eine moralische Welt. Diese Vereinigung von Empfängs

lichkeit

g) Die englischen Kritiker kommen, wenn sie Shakespear's poetische Verdienste preisen, zu oft auf die Natur zus rück, die kein Dichter so glücklich dargestellt haben soll. Shakespear heißt bey ihnen vorzugsweise the poet of Nature. So mag er heißen, wenn man sich über das Verhältniß der Poesie zur Natürlichkeit verstanden, hat. Sonst aber, kann Voltaire noch immer Recht behalten mit seiner unsaubern Reflerton: Mon c-1 eft aufli naturel; cependant je mets des culottes.

Bouterwek's Gesch, d. schön. Redek, VII, B.

lichkeit und Kraft in einer und derselben Geistestha: tigkeit machte ihn fähig, ohne alle schulgerechte Theo: rie das höchste Ziel der Kunft zu erreichen; und er hat es überall erreicht, wo er nicht dem Geschmacke feines Zeitalters zu sehr nachgab. Die prosaische Wahrscheinlichkeit der Ereignisse in einer bestimmten Folge hat er in seinen Dichtungen oft zu sehr vernach lässigt; aber mit der Natur hat sich seine kühne Phantasie nie entzweiet. Keine seiner Darstellungen ist phantastisch. Die zarte Empfänglichkeit seines Gemüths wurde von einer höchst besonnenen Ver: nunft bewacht, die, zwar nicht nach gelernten Res geln, aber desto mehr instinctmäßig und als heller Menschenverstand das Widersinnige von den Erfine dungen seiner Phantasie abwehrte. Zu vielen Fehs Jern hat ihn sein energischer Wih verleitet; aber eben dieser Wiß, der sich zu gern nach dem wenig gebildeten Geschmacke seines Publicums richtete, hat dem Dialoge in Shakespear's Schauspielen das pis Fante Interesse und die Gewandtheit gegeben, durch die er ohne Zurüstung und Affectation fast immer überrascht. Was den Wih Shakespear's besonders charakterisirt, ist seine Verbindung mit dem tiefsten und innigsten Gefühle. Shakespear's schöne Seele lebte in der reinsten Sympathie mit der ganzen mensch: lichen Natur. Darum fonnte es ihm gelingen, die schöne Seite der menschlichen Natur auf so mannigs faltige Art hervorzuheben, und zugleich die gehass figsten Affecten und Leidenschaften mit erschütternder Wahrheit zu zeichnen. In seinen 'dramatischen Chas rakteren erscheint immer zuerst der Mensch, und in dem Menschen der Staatsmann, oder der Held, der Verliebte, der Lustigmacher, und was sonst noch zufällige Modification der ursprünglichen Characters verschie:

verschiedenheiten ist. In dieser Hinsicht gleichen ber sonders Shakespear's tragische Charaktere denen des alten griechischen Trauerspiels. Seine Helden und

Heldinnen sind nicht, wie die des Corneille und Racine, immer darauf bedacht, ihrem Stande, ihrem Range, und den conventionellen Verhältnissen nichts zu ver geben. Aber Shakespear's dramatische Personen ers scheinen auch nie als personificirte Abstracta. Durch Die sprechendste Individualität scheinen sie alle der wirklichen Welt anzugehören. Und so behaups tet sich das Genie dieses eminenten Dichters vor der Kritik, die nicht Wesentliches mit Zufälligem verwechselt, überhaupt in seiner Größe, man mag es im Verhältnisse zu dem Zeitalter und den Umständen, unter denen es sich entwickelte, oder unbedingt und nach seinem objectiven Werthe schäßen. Wie hoch fich Shakespear in jeder Hinsicht über alle seine Vors gånger auf dem englischen Theater erhob, fällt bet der ersten Vergleichung seiner Werke mit denen der früheren und damals lebenden englischen Schauspiels dichter in die Augen. Selbst die Feinheit seines Geschmacks erscheint bewundernswürdig in dieser Vers gleichung. Was ihm aber, nach objectiver Schäts zung, an Feinheit des Geschmacks und überhaupt an classischer Bildung fehlt, hat er durch das höchste poetische Verdienst in so vollem Maße erseßt, daß die Kritik lieber die Wagschale fallen lassen, als die Verehrung schwächen muß, mit welcher Shakespear's Nahme bei der Nachwelt überall genannt werden wird, wo Sinn ist, das Höchste, was die Kunst vers mág, zu empfinden.

A

Was besonders noch die Originalität Shas Fespear's betrifft, so muß man sie mehr in dem gans

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