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Zweites Capitel.

Gefchichte der englischen und schottischen Poesie von den ersten Decennien des sechzehnten Jabra hunderts bis auf Spenser und Shakespear.

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er Uebergang der englischen Poesie von dem alts romantischen Geschmacke zu dem neu romans tischen, der durch den Einfluß der griechischen, rồn mischen und italienischen Litteratur entstand, war von keiner Art von Revolution begleitet. Es bildete sich nicht, wie um dieselbe Zeit in Spanien, eine Pará tet, die mit den Freunden der älteren Nationalpoes sie in einen litterarischen Krieg gerathen wäre ). Es stand kein Dichter auf, der Epoche gemacht hätte, wie Marot in Frankreich *), oder früher noch Pea trarch in Italien '). -- Still und langsam ånderte sich die englische Poesie. Fest gewurzelt in der früheren Denk und Sinnesart der Nation, glich sie einem alten Stamme, der neue Keime treibt, die ihm uns vermerkt von mehreren Seiten eingeimpft wurden, Mit dem alt romantischen Geschmacke der englischen Dichter war der italienische weit näher verwandt, als der antike. Nach italienischen Dichtern bils deten sich also vorzüglich die englischen, die den neuen Ton

i) S, den dritten Band dieser Gesch. der Poesie und Beredsamkeit S. 160.

k) S. den fünften Band, S. 169.

1) S. den ersten Band, S. 145.

Ton angaben. Englische Petrarchisten stans den auf, und es ertönte eine neue Poesie der Liebe in englischen Sonetten.

Der erste Dichter, dem es gelang, durch Nachs ahmung der petrarchischen Sonette in englischen Vers sen die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen auf sich zu ziehen und als ein englischer Petrarch verehrt zu werden, war einer der angesehensten Männer des Landes, Henry Howard Graf von Surrey, Das Jahr seiner Geburt ist von den Litteratoren nicht angemerkt, Seine erste Erziehung erhielt er am Hofe des Königs Heinrich VIII. Hier bildete sich eine innige Freundschaft zwischen ihm und einem natürlichen Sohne des Königs, dem jungen Grafen von Richmond, dem Surrey zum Gesellschafter beg stellt war. Beide junge Männer gingen zusammen im Jahre 1530 auf die Universität zu Oxford. Dort studirten sie in dem Collegium, das der Cardinal Wolsey gestiftet hatte, vorzüglich die alte classische Litteratur. Bald darauf traten sie gemeinschaftlich eine Reise nach Frankreich an. Um diese Zeit scheint Surren auch seine Geliebte kennen gelernt zų haben, die unter dem Nahmen Geraldine in seis nen Versen glänzt. Sie war die Tochter eines Gras fen von Fikgerald, der den Ursprung seiner Famille aus Italien ableitete. Vielleicht trug dieser Umstand dazu bei, den enthusiastischen Jüngling zu einer Reise nach Italien zu veranlassen. Auf dieser Reise ents wickelten sich mit seinem romantischen Charakter seine Talente zur Poesie. Er lernte die italienische Spras che, beschäftigte sich fleißig mit den Werken der itas lienischen Dichter, und studirte mit besonderer Bors liebe die Gedichte Petrarch's. Seine Geraldine

wurde

wurde nun die Laura der Sonette, in denen er Petrarch's Poesie der Liebe nachzuahmen versuchte, Aber sein ritterlicher Geist hing zu sehr an Uben teuern, als daß ihm das zurückgezogene Leben eines Petrarch hätte genügen können. Da er sich zu eis nem vollkommenen Ritter zu bilden gesucht hatte und auch in ritterlichen Leibesübungen sich hervor that, so ließ er in Florenz ein öffentliches Schreis ben ausgehen, durch das er die ganze Christenheit nebst allen Sarazenen, Juden und Heiden heraus: forderte, entweder eine Lanze mit ihm zu brechen, oder zu bekennen, daß seine Geraldine die Schönste der Sterblichen sey. Das Turnier soll zu Florenz wirklich zu Stande gekommen seyn, und der Graf Surrey über alle seine Antagonisten den Sieg das pon getragen haben. Dieser abenteuerlichen Huldis gung, durch die er feine Geraldine verherrlichen wollte, ungeachtet, wählte er doch nachher ein ans deres Fräulein zu feiner Gattin, Daß er mit den Waffen nicht nur scherzen mochte, bewies er nach feiner Zurückkunft in England. Er erhielt ein Commande bei der Armee gegen Schottland im Jahre 1942. In der Schlacht bei Flodenfield, wo der König Jakob IV. von Schottland auf dem Plake blieb, soll sich der Graf Surrey vorzüglich ausgezeichnet haben. Zwei Jahre darauf führte er schon als Feldmarschall die englische Armee gegen Frankreich an. Bei diesem Commando zog er sich aber zuerst die Unzufriedenheit seines launischen Kộ nigs zu. Heinrich VIII. fing überdieß an, miß. trauisch gegen einen Mann zu werden, der so be wundert und geliebt wurde, und ein Verwandter der Catharina Howard, der fünften Gemahlin des Königs war. Nachdem Catharing Howard auf

A

dem Blutgerüste hatte sterben müssen, um für Fehls
tritte zu büßen, die sie vor ihrer Verbindung mit
dem Könige begangen, versprach sich Heinrich von
ihrer ganzen Familie nicht viel Gutes. Der Graf
von Surrey reizte das Mißtrauen des Königs noch
Durch manche Unvorsichtigkeit. An einem Bor
wande, alle seine Leidenschaften zu befriedigen, fehlte
es diesem Tyrannen nie. Surrey wurde also bes
schuldigt, durch eine gewisse Erweiterung seines
Wappens geheime Ansprüche an die königliche Krone
verrathen zu haben, und mit den auswärtigen Feins›
den des Königs zu correspondiren. Er wurde in-
Verhaft genommen und des Hochverraths angeklagt,
Keine Rechtfertigung konnte ihn retten. Denn
wem Heinrich den Tod zugedacht hatte, der mußte,
schuldig, oder unschuldig, durch den Ausspruch seis
ger Richter, die für ihr eigenes Leben zitterten,
der Form Rechtens sterben. Surrey soll seine Saa
che mit männlicher Beredsamkeit vor Gericht vera
theidigt haben. Es half ihm nicht. Er wurde,
weil der König es so wollte, verurtheilt und enta
hauptet im Jahre 1547 TM).

in

Surrey erscheint in seinen Gedichten, wie in seinem Leben, als einer der merkwürdigsten und sele tensten Menschen seiner Zeit. Kein englischer Dich ter vor ihm hatte so ritterlich und so poetisch für eine Dame seines Herzens geschwärmt, und keiner, feit Chaucer, seine Talente geistreicher cultivire, Seine Gedichte sind voll Gefühl und Anmuth, Seine Nachahmung der Manier Petrarch's ist frei

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m) Diese Nachrichten von dem Leben des Grafen von Surs rey finden sich bet Warton und andern englischen Littes ratoren und Biographen.

von aller Affectation. Die Eleganz seiner Sprache und Versification erregt Bewunderung, wenn man bedenkt, daß er der erste englische Dichter war, der diese Kunst des Ausdrucks den alten Classikern und den Italienern ablernte. Aber ihn um seiner una verkennbaren Vorzüge willen den ersten classischen Dichter der Engländer zu nennen, konnte nur Littes ratoren einfallen, die das Classische überhaupt mit dem Eleganten verwechseln und noch dazu vergessen, wie sehr es den Werken dieses Dichters an der vols. lenderen Correctheit fehlt, die zum Wesen der Eles. ganz gehört. Selbst die Form des Sonetts ist dem Grafen von Surrey nur unvollkommen gelungen. Freilich mußte er empfinden, daß die englische Spras che sehr schwer dieser Form anzupassen ist, weil sie, bei ihrer Armuth an Reimen, besonders anf den weiblichen Reim Verzicht thun muß, ohne welchen Das Sonett eine unnatürliche Härte erhält. Dem Geiste der englischen Sprache verfuhr also Surrey ganz gemäß, als er sich auch in der bestimmten Verschränkung der Reimzeilen nicht an die Strenge der Gefeße des italienischen Sonetts band. Aber auch die charakteristische Zartheit und Grazie des Sonetts in dem Ausdrucke der Empfindungen und der Wahl der Gedanken und Bilder erreichte Surs ren nur zum Theil. Vergleicht man ihn mit seinen Vorgängern am englischen Parnasse, so erscheint sein Geschmack fein und sehr gebildet; aber neben Pes trarch und den übrigen classischen Sonettisten der Italiener steht Surrey nur als ein interessanter Nachahmer da, der hinter den Mustern, denen er folgte, weit zurück blieb. Eines seiner größten Verdienste ist, daß er sich da, wo ihm die unges wohnte Form beschwerlich fiel, lieber vernachlässis

gen,

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