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Mit dem alten Stamme der Sprache rettete die Nation ihren germanischen Charakter. Hätte sie alle ihre alten Wörter verloren und mit den frans zösischen Wörtern auch die französische Grammatik ans genommen, so würden ihre Gedanken ein ganz neues Kleid, und mit dem Kleide bald eine andere Form bekommen haben; ihre ganze Vorstellungsart hätte sich dann geändert; und aus Engländern wären nach und nach englische Franzosen geworden. Aber die auffallende Verschiedenheit der französischen und der nun entstehenden englischen Sprache wurde eine bleis .. bende Scheidewand zwischen der französischen und englischen Nation. Die normännischen Ritter und Barone in England saben sich genöthigt, die neue Landessprache, die der ihrigen durch eine Menge nationalisirter Wörter entgegen kam, wenigstens mit ihren Untergebenen zu reden, denen sie sich ap ders nicht verständlich machen konnten. Was die Nation an alten Wörtern eingebüßt hatte, wurde ihr reichlich ersetzt durch neue Begriffe. Ohne es zu wissen, oder auch nur zu wollen, nahmen die Engländer von nun an unverkennbaren Antheil an der früheren Cultur der romanischen Nationen, Durch die fortwährende enge Verbindung zwischen ihnen und den Franzosen lernten sie die französische Gewandtheit und Leichtigkeit im Denken und Leben mit der Schwerfälligkeit und Unbehülflichkeit vertaus schen, von der sich die Söhne des Nordens nur langsam befreien. Selbst die Mühe, die es dem Engländer von angelsächsischer Abkunft kostete, mię Den angenommenen französischen Wörtern immer den rechten Sinn zu verbinden, übte den Verstand und beförderte die Klarheit der Begriffe. Mochte nun immerhin die neue Landessprache anfangs von

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dem Hofe und dem Adel nicht weniger, als die alte, vers achtet werden; sie gewann doch immer mehr Feld; wurde bald auch zu einer Art von Poesie nicht ganz untaugs Tich gefunden; und nach ungefähr drittehalb hundert Jahren wurde sie endlich auch die herrschende Mutters sprache der englischen Herren von normännischer Abkunft.

Mit der Epoche, in welcher die französische

Sprache in England aufhörte, über die englische zu herrschen, fångt die eigentliche Geschichte der englis fchen Litteratur an. Die übrig gebliebenen Denkmäler der alten angelsächsischen Sprache gehör ren in ein besonderes Fach. Das Wenige, was in der Zwischenzeit, ehe das neuere Englische eine Art von regelmäßiger Bildung und Festigkeit erhielt, in dem sor' genannten Normannisch Angelsächsischen, eis ner rohen Mischung des alten und neuen Idioms, gedichtet und geschrieben wurde, kann auch noch nicht wohl zur englischen Litteratur im bestimmteren Sinne des Worts gerechnet werden. Erst unter der Regierung Eduard's I., in den lehten Decena nien des dreizehnten Jahrhunderts, blühte die Poes fie in der neu entstandenen Sprache wirklich auf, obgleich auch damals nur noch wie eine Blume im Schatten; denn noch immer sprach man am eng lischen Hofe nur Französisch, und das Land empfing feine Gefeße in französischer Sprache. Aber unter der glorreichen Regierung Eduard's III. (vom Jahre 1327 bis 1350) wurde die neue Sprache df. fentlich als wahre Landessprache anerkannt. Nun wurden die Geseke für England in dieser Sprache gegeben. Durch eine Ucte des Parlements, in welchem nun auch das Unterhaus einen bedeutens dern Einfluß auf die Regierungsgeschäfte erhielt,

wurde

wurde ausdrücklich verordnet, daß man sich in den gerichtlichen und andern öffentlichen Verhandlungen künftig der englischen, und nicht mehr der französischen Sprache bedienen sollte. Der emporkommende Bürs gerstand gab bei dem entscheidenden Siege, den die englische Sprache erfocht, ohne Zweifel den Aus: schlag; aber auch die Ritter und Barone von nors männischer Abkunft schämten sich nicht mehr, sich von den Franzosen, gegen die sie das Interesse ihres Königs in siegreichen Heerschaaren vertheidigten, durch die Sprache zu unterscheiden, und mit den tapferen Bogenschüßen und Fußknechten, die im englischen Heere dienten, als Ein Volk zu erscheinen. Die französische Sprache starb darum unter den engs Hschen Großen noch lange nicht aus. Französische Ritterromane und Gedichte waren in England so be: liebt, wie in Frankreich selbst; aber die Ritterros mane und Gedichte in englischer Sprache wurden nicht weniger, als die französischen, geschäßt. Aus englischen Sagen entstanden neue französische Roma: ne. Während die beiden Nationen im Felde mit einander stritten, war ihre poetische Litteratur in zwei Sprachen fast eine und dieselbe. Wir wissen nicht genau, ob an dem romantischen Hofe Eduard's III. die englischen Minstrels, die ihre Balladen im Volkstone sangen, sich neben den Nachahmern der französischen Fabliers hören lassen durften. Schon unter Eduard II. waren sie bei Hofe wenigstens zus weilen zugelassen worden. Auch waren sie damals schon so emporgekommen, daß sie stattlich geschmückt, den Rittern gleich, zu Pferde erschienen «). Aber einen Dichter von Chaucer's reicher und mannichs faltig

cc) Vergl. die Einleitung zum ersten Bande der Reliques of ancient English poetry, von Percy.

faltig gebildeter Phantasie konnten damals die Frans zosen den Engländern nicht entgegenstellen. Chau: cer traf mit bewyndernswürdiger Kunst den Ton, Den die Franzosen eben so gern, als die Eng: länder, hörten. Seine Poesie gefiel den Großen und dem Volke in England. Er war gerade der Dichter, den das Zeitalter und der Hof Eduard's III. verlangte.

Die Fortdauer der Kriege zwischen Frank reich und England im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert bewirkte endlich einen gegenseitigen Na: tionalhaß und eine völlige Trennung des Geistes und Charakters beider Nationen. Von dem Unterschiede zwischen den englischen Herren von normännischer und denen von angelsächsischer Abkunft war kaum noch die Rede. Und wenn man die wahre Consolis dirung heterogener Bestandtheile einer Nation für einen unschäßbaren Gewinn ansehen darf, so hat England Ursache, sich gern an jene Zeiten zu erinnern, in denen zwar das Blut von Tausenden seiner Eins gebornen nur für die Sache seiner ehrgeizigen Kd: nige floß, dafür aber auch die englische Nation Eins und ein Ganzes wurde d). Von jenen Zeiten her stamme

d) Kein Geschichtschreiber hat den Einfluß der Kriege, in welchen die Könige von England während des viers zehnten und in der ersten Hälfte des funfzehnten Jahrs hunderts ihre vorgeblichen Ansprüche an die französische Krone geltend machen wollten, einseitiger gewürdigt, als der sonst so pragmatische Hume. (Hiftory of England, chap. XV.). Er hat ganz vergessen, daß der Nationals haß, über dessen Entstehung er flagt, und den er mit Recht den Engländern mehr, als den Franzosen, vorwirft, nothwendig war, wenn aus den normännischen Herrs schern in England wahre Engländer werden, die verschies

denen

stammt auch fast Alles, was die englische Litteratur vorzüglich Originales und Eigenthümliches hat, wenn gleich Vieles von diesem Originalen und Eigenthums lichen erst lange nachher, Einiges nicht vor dem acht: zehnten Jahrhundert, entwickelt wurde.

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Unter der Regierung Heinrich's V., der noch glücklicher in seinen Unternehmungen gegen Frankreich, als Eduard III., war, in Paris selbst als Sieger einzog, und von einem Theile der französ sischen Nation als König von Frankreich anerkannt wurde, erschienen die englischen Balladenfänger mit ihren Harfen bei den Feierlichkeiten des Hofes ): Der Nahme der Minstrels wurde so hoch geachtet, daß die angesehensten unter ihnen Zutritt zu jeder fröhlichen Gesellschaft unter den Großen hatten. Bald nachher scheint der Nahme Junker, Min ftrel (Squire-Minstrel) zur Auszeichnung derer ents standen zu seyn, die sich zu vornehm dünkten, auch den gemeinen Mann mit ihren Liedern zu erfreuen '). Diese Junker: Minstrels erhielten ihr Ansehen bis in das Zeitalter Shakespear's unter der Regierung der Könts gin Elisabeth. Damals konnte ihr Stand, der immer mehr ausartete, seine alte Würde auch vor dem Volke nicht länger behaupten. Der Unfug, den mehrere umherstreifende Minstrels in Verbindung mit allerlet losem Gesindel trieben, veranlaßte endlich die bes

Fannté

denen Glieder, der Nation sich zu einem lebendigen Gans zen vereinigen, und mit ihren geistigen und moralischen Kräften nach Außen und Innen als ein Ganzes wirken follten.

e) Bergl. Warton, Tom. II. p. 35.

f) Siehe die angeführte Vorrede zu den Reliques of ancient English poetry.

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