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matischer Darstellung. Jeder nackte Tatsachenbericht kann in seine einzelnen szenischen Komponenten zerlegt werden, wie andererseits der längste Roman auf einen kurzen Bericht gebracht werden kann. Aufgabe des Dichters ist es, in seiner Erzählung jene Punkte zu erkennen, an denen die szenische Verzahnung sichtbar werden muß, d. h. Bericht und Darstellung in ihr künstlerisch wirkungsvollstes Verhältnis zu bringen1). Es liegt auf der Hand, daß in dieser Hinsicht die einzelnen Dichtungen stark voneinander abweichen müssen. Die Art des Stoffes, die künstlerische Absicht, literarische Einflüsse, Modevorschriften, das Dichtertemperament, sie alle sind bei der Lösung der Gliederungsfrage mitbestimmend (s. IV. Abschn.).

Neben dem Problem des szenischen Aufbaus besteht aber ein anderes, das ebenso unmittelbar in die Art der dichterischen Ausgestaltung eines Werkes eingreift: das der Redewiedergabe. Wenn der Dichter die Notwendigkeit einer breiter auszuführenden Szene erkannt hat (ein Erkennen, das oft nur ein Erfühlen ist), so stellt sich ihm immer noch die Frage, wie sie gestaltet werden soll. Dem vorwärtsdrängenden Erzählergeiste dient mehr die indirekte, der verweilenden Darstellung die direkte Rede. Auf diese zwei Arten beschränken sich in der Hauptsache die Möglichkeiten der älteren Dichtung. Dem modernen Schriftsteller steht auch die ausdrucksvoll-plastische erlebte Rede zur Verfügung. Wo der Dichter zwischen zwei oder drei Formen wählen kann, da werden (der Schluß ist ohne weiteres zulässig) je nach den Umständen mehr oder weniger große Unterschiede in der Verwendung die Folge sein. Diese Differenzen nach ihrem Sinn zu prüfen, ist die vorliegende Arbeit möchte es beweisen eine lohnende Aufgabe.

Interessante Feststellungen liefert aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen W. Schwartzkopff in seinem Buche,,Rede und

1) Vgl. damit etwa den folgenden Ausspruch Jakob Wassermanns über die dichterische Form:,,Das ist die alte Qual und immer die gleiche Qual. Zusammentreffen von Gestalt und Idee; die Brücke finden zwischen dem, was ich der Welt gegenüber auszusagen habe, und dem, was der Figur an Lebensäußerung vorbehalten sein muß; erzählerisches Tempo; das Problem, wann der szenischen, wann der zeitverlaufenden Darstellung der Vorzug zu geben sei; Gruppierung der Personen; Rhythmus der Vorgänge; Gliederung und Aufbau der Fabel." (Hans Aufricht, Gespräch mit Jakob Wassermann. Die literarische Welt. 2. Jahrgang, Nr. 21/22.)

Redeszene in der deutschen Erzählung bis Wolfram von Eschenbach" (Berlin 1909)1). Leider hat er es unterlassen, die indirekte Rede vom reinen Bericht zu trennen. Seine Tabelle auf S. 13 gibt gleichwohl ein klares Bild von tiefeinschneidenden Veränderungen: das Abnehmen der (direkten) Rede vom Heliand und Otfried an und das Wiederanschwellen in der Blütezeit. Zu ähnlichen Resultaten würden Untersuchungen auf altfranzösischem und altitalienischem Boden kommen. Überall wird mit entwickelterer Kunst der szenischen Darstellung und Variation eine größere Aufmerksamkeit geschenkt. In neuerer Zeit ist die Redegestaltung auch theoretisch zum künstlerischen Problem erhoben worden und darum eine viel bewußtere und berechnetere.

Die drei Arten der Redewiedergabe lassen sich bei modernen Dichtern nicht selten in kurzen Abständen vereinigt antreffen. Je ein deutsches, französisches und italienisches Beispiel:

Als endlich alle Hast mit dem durchs Dämmerviolett dahinziehenden Dampfer davonfuhr, fragte Saphir den Bruder, was für Eindrücke er eigentlich von dem Nachbar mitgenommen [indirekte Frage]. Anton berichtete von Reisen, Uhrensammlungen und den damit verknüpften schmeichelhaften Bemerkungen [,,erzählte" Rede 2)].

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Und das Fräulein?" erwiderte Saphir.

Wirkt sie in der Nähe ebenso reizvoll? Nach mir hat wohl niemand gefragt ?" [direkte Rede].

Anton erinnerte sich nicht, daß Saphirs Name gefallen wäre. Das Fräulein dagegen hielt sich selbst für so antipathisch, daß nicht einmal eine Uhr in ihrer Nähe übliche Pflichtentfaltung einhalten wollte [erlebte Rede]. (Alice Berend, Jungfer Binchen und die Junggesellen. München 1920. S. 102.)

Il lui demanda si elle n'avait pas remarqué ce grand changement dans leur fils [indirekte Frage]. Non, elle le trouvait toujours aussi maussade, grognon, buté [erlebte Rede]. Il insista: Raymond se laissait moins aller; il avait plus de maîtrise sur soi, quand ce ne serait que ce soin nouveau qu'il avait de sa tenue [erlebte Rede].

1) Erschienen als Nr. 74 in der Sammlung „Palaestra“.

2) Die sog.,,erzählte" Rede (er riet mir ab, du sagtest mir zu usw.) muß, wenn man darunter überhaupt noch Rede und nicht nur einfachen Bericht verstehen will, zur indirekten Rede gerechnet werden.

«Ah! oui, parlons-en; Julie bougonnait hier parce qu'il exige qu'elle repasse deux fois par semaine, ses pantalons » [direkte Rede]. (F. Mauriac, Le désert de l'amour. Paris 1925. S. 111-12.)

«Sì, sì» rispose Noemi, commossa, «andiamo a Roma, partiamo subito. Adesso domando a che ora c'è un treno»> [direkte Rede].

Jeanne l'afferrò di colpo, la trattenne. No, no, era una-pazzia, cos'avrebbe detto sua sorella? Cos'avrebbe detto suo cognato? Era una pazzia, era una cosa impossibile. E poi, e poi, e poi ... [erlebte Rede]. Si coperse il viso, si mormorò dentro le mani che le bastava di vederlo, di vederlo un solo momento, ma che partire senza vederlo non poteva, non poteva, non poteva [indirekte Rede]. (A. Fogazzaro, Il Santo. Milano. Baldini & Castoldi 1919. S. 112.)

Äußerlich und am einzelnen Beispiel gemessen, mag es für die seelische Disposition des Erzählenden unbedeutsam erscheinen, ob ein Gedanke oder eine Rede direkt, indirekt oder erlebt wiedergegeben wird. Der gleiche Schriftsteller kann diese Ausdrucksarten, seiner künstlerischen Überlegung folgend (und diese oft instinkthafte Überlegung ist, wie wir sehen werden, wenn bei der einzelnen Szene nach Grund und Stilwert hin untersucht, für die stilistische Struktur des Kunstwerkes äußerst aufschlußreich), auf der gleichen Seite durcheinanderwürfeln und verrät damit keineswegs eine eigentümlich ausgeprägte Bewußtseinstellung. Wenn aber erkennbar wird, daß er sich mit augenscheinlicher Bevorzugung einer Form bedient, so wird man sich die Frage vorlegen können, wieso er dies tut, und die Antwort, wenn nicht äußere und mehr oder weniger bestimmbare Einflüsse vorliegen, im Dichter selber suchen.

Um tieferen Beziehungsmöglichkeiten zwischen dem Erzähler und den drei Redeformen auf die Spur zu kommen, müssen wir zuerst nach dem psychologischen Charakter und der Stilwirkung dieser Formen forschen und von dieser Basis aus (ohne den allgemeinen Deutungen mehr Gewicht beizulegen als sie verdienen, d. h. sie als das betrachtend, was sie sind: abstrakte Hilfsmittel zu tieferer Erfassung konkreter individueller Wesenheiten) dem Schicksal der Rededarstellungsarten in den Werken der Literatur nähertreten.

I. Abschnitt.

Die direkte Rede.

Quant veit Rollanz, de sun tens n'i ad plus,
Devers Espaigne est en un pui agut,
A l'une main si ad sun piz batud:
,Deus, meie culpe vers les tües vertuz;
De mes pecchiez des granz et des menuz
Que jo ai faiz dès l'ure que nez fui
Tresqu'a cest jur que ci sui consoüz!'
Sun destre guant en ad vers deu tendut.
Angle del ciel i descendent a lui. Aoi.
(Chanson de Roland, Ausg. Stengel,
2366-74.)

1. Kapitel.

Psychologische Basis und Stilwirkung der direkten Rede1).

Die direkte Rede ist die naturgemäßeste und daher ursprünglichste Form der Rede- oder Gedankenwiedergabe. Der einzelnen Tatsache wird durch sie keine Gewalt angetan. Als reiner Abdruck des Einmaligen ist sie das Mittel ungetrübter Übertragung eines gedachten oder gesprochenen Wortes. jenige, der sich ihrer bedient, zieht sich gleichsam vom Tatsächlichen, das er mitteilen will, zurück und schafft nur die Bühne, auf der sich dieses in eigenster Gestalt entfaltet. Sie erhöht den Wahrscheinlichkeitseindruck einer Erzählung und hat darum unter den drei Redeformen den größten Illusionsgehalt.

1) Über ihren logisch-grammatikalischen Charakter Genfer Diss. von Marguerite Lips, Le style indirect libre. S. 15f.

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Dennoch ist auch ihre Objektivität eine eingeschränkte. Als sprachliches Faktum stellt sie eine getreue Wiedergabe dar. Um wirklich objektiv zu sein, sollte sie aber bei jeder Reproduktion in die individuellen psychologischen Verhältnisse zurückgestellt werden können, denen sie als Rede oder Gedanke entwächst. Dies mag einigermaßen dort der Fall sein, wo der Redende oder Denkende selbst Erzähler ist. Sobald aber ein Zweiter fremde Aussprüche wiedergibt, wird deren innere Form notwendigerweise in ihrer Reinheit mehr oder weniger getrübt. Man denke z. B. an den Zusammenhang, in dem eine direkte Rede vorgetragen, an den Ton, in dem sie wiedergegeben wird. Die Veränderung oder Aufhebung der seelischen Basis hat wenig oder nichts zu besagen, wenn es sich um die Wiedergabe rein konstatierender Aussagen handelt. Eingreifender werden die Modifikationen dann, wenn psychische Untergründe in Frage stehen, die die geringste Verschiebung in ihrem besonderen Gehalt vernichtet oder doch schwer beeinträchtigt. Wer ist nicht schon das Opfer solcher zufälliger oder böswilliger Interpretationen geworden, die einen Tatbestand, bei unantastbarer Treue des Wortlauts, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten!

Diese Möglichkeit besteht freilich für die indirekte und erlebte Rede ebensogut wie für die direkte, d. h. überhaupt für jede Art der Reproduktion. Der wirkliche Stil ist Seele, die Stilformen sind nur unvollkommene Gefäße der Sichtbarmachung. Wenn dies im täglichen Leben zuweilen ein Nachteil ist, so liegt doch andererseits gerade in dieser unumgänglichen Unbestimmtheit für das Dichtwerk ein Reiz verborgen, der immer wieder neu spürbar wird. Der Bedeutungswandel, dem eine dichterische Schöpfung im Geiste des Lesenden, Sprechenden oder Hörenden unterworfen ist, haucht dieser eine Art irrationalen Lebens ein, das je nach Ort und Stunde in den mannigfaltigsten Gestaltungen in Erscheinung tritt.

Sehen wir aber von dieser Einschränkung in der Objektivität direkter Wiedergabe ab und betrachten wir sie als stilistische Grundform, so erkennen wir, daß sie eine persönliche Entäußerung zugunsten des redenden Objekts voraussetzt: der Erzähler erteilt seiner Figur das Wort. Dieser Verzicht auf die Betonung des eigenen Standpunktes ist im primitiven Zustande unbewußt und selbstverständlich, kommt aber dem sich entwickelnden Geiste in dem Maße zum Bewußtsein, als

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