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dieses Plans bis auf Heinrich VIII. vorrückte, schrieb er, vielleicht auch schon um das Jahr 1596, sein era stes von der englischen Geschichte unabhängiges Trauerspiel, den Hamlet, dann den Juden von Venedig, und mehrere Lustspiele, unter andern Die lustigen Weiber von Windsor. Die

meisten Trauerspiele Shakespear's gehören in die lehte Periode seines Lebens. Vermuthlich zwischen den Jahren 1604 und 1612 entstanden der König Lear, nach einem älteren Stücke unter demselben Titel, der Macbeth, der Othello, und die drei Trauerspiele aus der römischen Geschichte, der Jus lius Casar, Antonius und Cleopatra, und Coriolan. Da sich aber die chronologische Ords nung der sämmtlichen dramatischen Werke Shake spear's nur durch unzuverlässige Muthmaßungen eiz nigermaßen errathen läßt, so müssen wir auch auf die genauere Beobachtung der fortschreitenden Entwickes lung und Cultur des bewundernswürdigsten Genies Verzicht thun

Shakespear's Leben war von der Zeit an, da er das Theater betrat und für das Theater dichtete, das Leben eines rechtlichen Mannes, der in seinem Berufe glücklich und immer thätig ist, keine Abens teuer sucht, und auch vom Zufalle in keine verwickelt wird. Wir lesen nichts von Ausschweifungen und Thorheiten, die er sich hätte zu Schülden kommen lassen; nichts von Anstalten, die er gemacht hätte, Aufsehen zu erregen; nichts von Intriguen, durch die er mit den Großen in nåhere Verbindung zu kommen gesucht hätte. Still und bescheiden, voll ges rechten Selbstgefühls, ohne Anmaßung und ohne Neid, ging er seinen Weg. Er wurde bald der Liebs

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ling des Publicums, während er nur sich selbst Ges núge zu thun suchte. Ungefähr fünf und zwanzig. Jahre genoß er des Glücks, seine Schauspiele allen andern auf dem englischen Theater vorgezogen zu ses hen. Wie lange er selbst fortgefahren, das Theas ter zu betreten, wissen wir nicht. Als Schauspieler hat er wenigstens nicht geglänzt. Am besten soll ihm die nicht sehr belohnende Rolle des Geistes in seinem eigenen Hamlet gelungen seyn. Unter den englischen Großen fand er Gönner, ohne sie zu suchen. Einer von ihnen, ein Graf von Southamps ton, soll ihn ein Mal mit einer ansehnlichen Sum: me Geldes unterstüßt haben. Aber Shakespear bes durfte, wie es scheint, solcher Unterstüßungen nur selten. Seine Kunst nährte ihn anfangs vielleicht nur nochdürftig, nachher aber sehr anständig. Von Der Königin Elisabeth, der seine Schauspiele Vers gnügen machten, hat er, so viel bekannt geworden, nie eine Pension erhalten. In den letzten zehn Jahren seines Lebens brachte ihm die Direction des Theaters so viel ein, daß er sich auf die rühmlichste Art ein nicht unbedeutendes Vermögen erwerben konnte. Alle Nachrichten, die sich von seinem Privatleben ers halten haben, stimmen darin überein, daß er einer der humansten und liebenswürdigsten Menschen gewesen, heiter und unterhaltend im Umgange, und immer bereit, fremdem Verdienste Gerechtigkeit widers, fahren zu lassen. Als Ben Jonson Talente zur dramatischen Poesie blicken ließ, war Shakes spear einer der Ersten, die ihn aufmunterten und dem Publicum empfahlen. Auch als Ben Jon son, voll Vertrauen auf seine pedantische Gelehrs samkeit, Shakespear's Schauspiele bitter zu bekrits teln anfing, übernahm Shakespear selbst noch auf

dem

dem Theater einige Rollen in den Schauspielen Ben Jonson's. Mit mehreren andern vorzügli chen Köpfen lebte er in freundschaftlicher Verbins dung. Daß er aber einen von ihnen bei seinen dras matischen Arbeiten zu Rathe gezogen habe, lesen wir nicht. Man erzählt, daß er, wie der spanische Dichter Lope de Vega, in feinen Handschriften ute eine Zeile ausgestrichen; vielleicht, weil er selten, oder nie, eine Zeile ohne Besonnenheit schrieb; denn flüchtig, wie Lope de Vega, zu dichten, wenn ihn die Zeit nicht drängte, war ein Mann von dieser Tiefe des Gefühls wohl nicht fähig. In den beiden lehten Jahren feines Lebens zog er sich von den Bes schwerden, welche die Direction des Theaters mit sich brachte, und von dem Geräusche der großen Welt in seine kleine Vaterstadt zurück. Dort soll er den Maulbeerbaum gepflanzt haben, der lange Zeit nach dem Tode des Dichters als ein Heiligthum verehrt worden ist. Er starb im Jahre 1616, dem dret und funfzigsten seines Alters ').

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f) Die Quelle aller wichtigsten biographischen Nachrichten über Shakespear ist noch immer der Account, den Ros we seiner Ausgabe dieses Dichters vorangeschickt hat, mit den Anmerkungen und Zusäßen der späteren Hers ausgeber. Was außerdem über Shakespear und seine Werte von englischen Litteratoren, Kritikern und Dilets tanten geschrieben ist, macht eine kleine Bibliothek aus, deren Verzeichniß nicht in eine allgemeine Geschichte der neuern Poesie und Beredsamkeit gehört. Vergl. Eschens burg über Shakespear. Das Wichtigste und Nöthigs fte zur Kenntniß des Geistes und der Geschichte des gros Ben Dichters findet man beisammen im ersten Bande Der Ausgabe Shakespear's von Edmund Malone

(Lond.

Un Shakespear's dramatischen Werken kann die Kritik ihre Kräfte erproben, wenn sie zeigen will, daß sie eingedrungen ist in das Wesen der ursprüng lichen und höchsten poetischen Schönheit. Denn wenn man vom Princip der Regelmäßigkeit ausgeht, und bet der Schäßung poetischer Compositionen vorzüglich nach dem Kunstverstande fragt, der das Ganze ordnete und alle Theile symmetrisch zusam men fügte; oder wenn man die Feinheit des Ges schmacks eines Dichters nach der Vermeidung alles Unschicklichen und nach der Politur des Ausdrucks abinißt, und das Siegel der poetischen Vollkommens heit in nichts Anderem findet, als in der vollendes ten Eleganz; dann, freilich, muß Shakespear fo tief unter Corneille und Racine gestellt werden, wie er von französischen Kritikern, nach den bekannten Principien ihrer Kritik, schon öfter gestellt worden ift. Shakespear's Schauspiele erscheinen dann, wenn gleich immer noch als Werke des Genies, doch nur als poetische Mißgeburten, deren Verfasser man bes Flagen muß, weil er nicht nach den Regeln dichtete, denen Corneille und Racine ihre Erfindungen sorgfäls tig unterwarfen. Aber wenn man, ohne übrigens. diese Regeln, so weit sie in der Natur gegründet sind, zu verwerfen, die höchste Schönheit eines poes. tischen Geisteswerks in der Kraft anerkennt, mit welcher ein reiches und schöpferisches Genie sich der Matur

(Lond. 1790.), wo auch die lehrreichen Vorreden von Johnson und Pope wieder abgedruckt sind. Malos" ne's Attempt, to afcertain the chronological order of Shakespeare's plays verdient Dank und Aufmerksamkeit, obgleich auch dieser Versuch, etwas Gewisses über die Sache auszumitteln, keinesweges befriedigt. Bet eben diesem Herausgeber Shakespear's findet man auch ein Verzeichniß aller früheren Ausgaben.

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Matur bemächtigt und, im Wetteifer mit ihr, et was hervorbringt, das selbst nur vollendete Natur zu seyn scheint und doch nach den Gefeßen einer hös heren Harmonie, wenn auch nicht immer musterhaft, doch im Ganzen treffend, hinreißend und begeisternd, die Ideen ausspricht, durch die sich der denkende Geist zum Ueberirdischen und Göttlichen erhebt; dann sind Shakespear's Schauspiele, mit allen ihren Fehlern, nicht nur über die Werke von Corneille und Racine zu stellen, sondern überhaupt zu den poes tischen Heiligthümern zu zählen, deren es in der Lito teratur aller Zeiten und Völker nur wenige giebt. Die Fehler, welche Shakespear gegen die unverwerf lichen Regeln der dramatischen Kunst und des guten Geschmacks begangen hat, fallen dem gemeinsten Kunstrichter in das Auge. Aber die Schönheit, durch die er diese Fehler vergütet, ist die ursprünglis che und wahrhaft poetische, die als ideale Harmonie des Geistes und der Natur im Innersten der Seele empfunden wird, und der Eleganz des Ausdrucks nur als einer Stüße bedarf, um in vollendeter Reins hett empfunden zu werden. Shakespear ist kein class fischer Dichter in dem Sinne, wie Sophokles so genannt wird, und wie man sich überhaupt dieses Worts bedient, um die musterhafte Vortrefflichkeit in jeder Hinsicht zu bezeichnen. Noch weniger darf er ein Classiker vón denen genannt werden, welche die musterhafte Vortrefflichkeit mit nüchterner Cors rectheit verwechseln. Aber was Shakespear's dras matische Poesie Musterhaftes hat, ist unübertrefflich und unnachahmlich. Kein Dichter hat die Natur unverfälschter in sich aufgenommen und treuer dars gestellt; und kein Dichter hat sich zugleich þöher über die triviale Natürlichkeit erhoben und das wirks

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