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und Volksliedern unter dem Titel Guirlans den (Garlands) gedruckt wurden und nun nach und nach eine litterarische Celebritåt erhielten. Aber wie viele Blumen in diesen Guirlanden damals erst aus der Knospe gebrochen seyn mögen, wie viele den früheren Zeiten angehören, und welche Verán. derungen die älteren Balladen und Lieder nach dem Geschmacke des Zeitalters erleiden mußten, wird selbst durch mühsame Nachforschungen nie völlig aufgeklärt werden können 1).

Sogleich mit dem Anfange der Regierung der Königin Elisabeth wirkte der neue Geist, der in die englische Poesie eingedrungen war, fråftiger und allgemeiner. Die ganze Nation athmete freier. Dichterische Köpfe, die neue Bahnen brechen wolls ten, wurden nicht mehr durch schüchterne Erwäguns gen der Umstände beschränkt. Ehe noch Spenser und Shakespear auftraten, fühlten sich nun schon mehrere englische Dichter für etwas Großes bes geistert.

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Einer der vorzüglichsten Männer, die in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts das Ger biet der englischen Poesie zu erweitern anfingen und das Zeitalter Shakespear's unmittelbar herbeiführen halfen, war Thomas Sackville, erster Lord Buckhurst und erster Graf von Dorset, aus einer der vornehmsten Familien, geboren im Jahre 1530. Nachdem er, seinem Stande gemäß, eine sehr liberale und zugleich litterarische Erziehung ers halten, wurde er von der Königin Elisabeth bald bes

1) Vergl. Percy's Abhandlung über die Minkrelpoesie vor den Reliques of ancient English poetry, T. I. p. 23.

bemerkt und ausgezeichnet. Eine Zeitlang zogen ihn die Ehrenstellen, die er bekleidere, nicht von den poetischen und litterarischen Studien ab, mit denen er sich in seiner Jugend vorzüglich beschäftige hatte. In der Folge aber mußte er sich ganz den Staats- und Gesandtschaftsgeschäften widmen. Um noch etwas für die Poesie und Litteratur seines Vas terlandes zu thun, ermunterte er andere Dichter, das Werk fortzusehen, das er mit besonderer Vors liebe angefangen hatte. Dieses, in der Geschichte ́、 der englischen Poesie sehr merkwürdige Werk ist der poetische Spiegel für Staatsmánner (Mirrour for Magiftrates), von Sackville ungefähr im fünf und zwanzigsten Jahre seines Lebens entworfen. Nur die Einleitung konnte er vollenden. Die Auss führung seiner Idee übertrug er zweien seiner litteras rischen Freunde, Richard Baldwin, einem Geists lichen, und George Ferrars, der, wie Sackville selbst, von angesehner Familie war und am Hofe lebte. Gemeinschaftlich mit Ferrars, oder, nach Andern, mit Thomas Norton, einen Rechtss gelehrten, soll er auch Verfasser des Trauerspiels Gorbaduc oder Ferrer und Porrer seyn, des ersten regelmäßigen, nach dem Muster. der alten griechischen Trauerspiele geformten dramatischen Ges dichts in der englischen Litteratur. Wahrscheinlicher ist aber auch dieses Werk, von dem nachher in der Geschichte der dramatischen Poesie dieses Zeitraums weiter die Rede seyn soll, ganz von Sackville selbst. Wie weit sich dieser geistreiche Mann noch in der lets ten Hälfte seines Lebens für die Fortschritte der Poes fie in seinem Vaterlande interessirt þat, ist nicht bes fannt. Er starb mitten unter politischen Berufsges schäften im Jahre 1608, dem acht und siebenzigsten

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seines

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feines Alters, nachdem er noch Shakespear's Gente hatte glänzen sehen TM).

Das Gedicht Der Spiegel für Staatss månner, das durch seinen Einfluß auf die Bile dung des englischen Trauerspiels so merkwürdig ges worden, läßt sich mit keinem Classentitel bezeichnen. Ein episches Werk kann es nicht heißen, weil es auch keine Spur von epischer Einheit und Verwickes lung enthält. Aber es hat den Umriß eines erzähs lenden Gedichts. Der Plan des Ganzen ist so un poetisch wie der Titel; aber eine gute Ausführung fonnte einzelnen Theilen ein hohes poetisches Intes resse geben. Sackville's unentwickelte Idee, die ihn auf die Erfindung dieses Werks geleitet hat, war offenbar dramatisch. Er fühlte sich begeistert für die tragische Kunst. Er bemerkte, welch einen reichen Stoff zu tragischen Dichtungen die Geschichte seines Vaterlandes enthielt. Diesen Stoff vorläufig auf eine solche Art zu bearbeiten, daß das tragische Interesse der Begebenheiten auch ohne dramatische Verflechtung poetisch hervorgehoben würde, gerieth er auf den Gedanken, die vorzüglichsten Personen, die in der Geschichte von England durch ein tragisches Schicksal berühmt geworden sind, die merkwürdigsten Begebenheiten ihres Lebens selbst erzählen zu lassen. Damit nun diese Gallerie von tragischen Ges mählden doch eine Art von poetischer Einheit er

hielte,

m) Nachrichten von dem Leben dieses vornehmen Dichters finden sich bei allen englischen Litteratoren, die seiner ges Denken. Warton handelt ausführlich von ihm und seis nen Werken. Bon diesem Zeitalter der englischen Litteratur an werden für die Biographie der englischen Dichs ter, in Ermangelung besserer Werke, auch brauchbar Cibber's Lives of the English poets, London, 1753, 5 Octavbände.

hielte, wählte er, ungefähr wie Dante bei der Ers findung seiner göttlichen Comödie, die bequeme, in der Poesie der mittleren Jahrhunderte. sehr beliebs te, zu Sackville's Zeit aber freilich schon sehr vers brauchte Form einer Vision. Im Geschmacke der mittleren Jahrhunderte gab er dieser Vision einen allegorischen Zuschnitt. So konnte er leicht die Personen, die ihre eigene Geschichte erzählen soll. ten, als Erscheinungen nach einander auftreten lass fen. Die Hauptsache bei dem ganzen Plane des Werks blieben aber die tragischen Erzählungen der auftretenden Personen selbst. Da nun Sackville Diese Hauptsache Andern überließ, nachdem er selbst nur die Einleitung (Induction) und eine einzige Ers zählung geliefert hatte, so ist das ganze Werk gleichs fam in der Idee erstorben; denn die Begeisterung, mit der Sackville die tragischen Ereignisse dargestellt haben würde, fonnte er den litterarischen Freunden nicht mittheilen, denen er die Ausführung seines Plans übertrug. Daß er seine Hand von dem Werke gerade da abzog, wo es eigentlich anfängt, müssen wir um so mehr bedauern, weil die Einleitung, selbst in ihrer allegorischen Trockenheit, viel Großes und Vortreffliches hat, und die erste Erzählung, die Sackville auf die Einleitung folgen läßt, an tragi scher Kraft alle früheren Versuche in der englischen Litteratur übertrifft. Was diesen Dichter unter seis nen Zeitgenossen sogleich beim ersten Blicke auszeich; net, ist die Cultur und Würde seines Styls. Was ihm an Erfindungsgeist fehlt, erseßt er, fo weit es möglich ist, durch wahrhaft poetisches Gefühl. Mit seinem Gefühle und in seinem Style erzählt, würden die tragischen Begebenheiten aus Der Geschichte seines Vaterlandes in einem Lichte

erschies

erschienen seyn, in das sie von der matten Einbils dungskraft eines Baldwin und Ferrar's nicht gestellt werden konnten ").

Mit

Sackville's poetische Einleitung in den Spiegel für Staatsmänner fängt mit der Beschreibung einer finstern Winternacht an. In melancholischen Betrachtungen verloren, wird er durch eine wunderbare Erscheinung erschreckt. In furchtbarer Gestalt erscheint ihm das Leiden (Sorrow)). Aus den Tiefen der Hölle ist es empor. gestiegen, den Dichter Weisheit zu lehren. Schaudern und Thränen entschließt er sich, dieser Erscheinung zu folgen. Sie führt ihn in den Vorhof der Hölle. Da erblickt er die Gewissen so pein (Remorse), die Furcht, die Rache, und eine Menge andrer allegorischer Personen, denen füglich ein Wohnplaß in der Hölle angewiesen wers den konnte. Nachdem die Dichtung lange bei diesen allegorischen Figuren verweilt hat, rückt sie endlich bis zu dem Gedränge der unglücklichen Seelen vor, die am Ufer des Ucheron den Dichter begrüßen und Ihm ihre Leiden zu erzählen anfangen. Der Erste, der auftritt, ist Heinrich Herzog von Buckingham, der unter der Regierung Richard's III. ein Werkzeug

Der

n) Die älteste Ausgabe des Mirrour for Magiftrates oder, wie er auch zuweilen heißt, Mirrour of Magiftrates ist vom Jahre 1559 Sackville's Einleitung findet sich wies der abgedruckt in der Mufe's Library und im ersten Bande der Andersonischen Ausgabe der englischen Dichter. Auch Warton hat sie in seiner Geschichte der englischen Poes fie beinahe vollständig mitgetheilt.

o) Das deutsche Wort Kummer sagt hier zu wenig. Lets den scheint zu viel zu sagen, weil Sorrow nur Leiden der Seele bedeutet. Aber man versteht leicht, daß hier kein anderes gemeint ist.

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