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Lehrgedicht in der englischen Litteratur sich über alle übrigen Dichtungsarten erheben wollte, weil man auch von der Poesie immer etwas lernen zu müssen glaubte.

Von den übrigen schönen Künsten, die Schauspielkunst abgerechnet, konnte die englische Poes fie weder geweckt, noch genährt werden; denn schon Damals zeigte sich, daß keine der cultivirreren Nas tionen in Europa so arm an Talenten zu den zeichs nenden und plastischen Künsten und zu der Musik ist, als die Bewohner der britannischen Insel.

Die schottische Poesie erhielt sich während des sechzehnten Jahrhunderts neben der englischen noch eine Zeitlang in ihrer alten romantischen Gestalt. Aber die Engländer eilten den Schotten auf dem neuen Wege, der durch das Studium der griechischen und römischen Litteratur gebahnt war, in Kurzem mit der Kraft des Genies so weit vor, daß schon geø gen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts die schottische Poesie neben der englischen kaum noch in Betracht kommt. Die Vereinigung der beiden Kös nigreiche unter Jakob I. ist die Epoche, wo der schots tische Dialekt selbst in seinem Vaterlande seine littes rarische Würde zu verlieren und zum gemeinen Wolfsidiom herabzusinken anfiug.

Was von den Werken irländischer Dichter, in der Geschichte der englischen Litteratur zu melden ift, seitdem die englische Sprache und Cultur auch in Irland den Sieg über die Sprache und die rohen Sitten der unterjochten Eingebornen davon trug,

muß

muß als ein Theil der englischen Litteratur selbst ans gesehen werden. Denn die alte Nationalpoeste der Ersen in Irland wurde von den Engländern, die ihre Sprache und Sitten auf der eroberten Insel eins führten, viel zu sehr verachtet, als daß die englis schen Dichter, die in Irland geboren waren, sich hårten geneigt fühlen können, auf den alten Bardens gesang der ersischen Miteinwohner des gemeinschafts lichen Vaterlandes zu horchen. Selbst unter den ens glisch redenden Einwohnern von Irland fand die neue Cultur weit spåter Eingang, als in England, weil viele von ihnen bei den fortwährenden Unruhen im Jnnern des Landes, und zum Theil durch den Ums gang mit den ersischen Eingebornen, eben so rok wurden, wie diese. Deßwegen kommen die Nahmen berühmter englischer Dichter und Schriftsteller, die in Irland geboren und erzogen sind, erst mit dem siebzehnten Jahrhundert zum Vorschein "),

Die ganze Geschichte der schönen Litteratur der Engländer und ihrer Sprachgenossen in Schottland und Irland während dieses Zeitraums zerfällt in wei Abschnitte, die aber immer als ein Gane zes betrachtet werden müssen. Der erste Abschnitt umfaßt die Zeit der Vorübungen in der neu : romans tischen Poesie bis auf Spenser und Shakespear. Merkwürdige Dichter sind genug aus dieser Zeit in. der Geschichte der englischen Litteratur zu nennen, aber kein einziger vom ersten Range. Gleichwohl dürfen

h) lleber den Zustand Irlands während des sechzehnten Jahrhunderts s. Hume's Gesch. von England, Cap. 44.

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dürfen wir den zweiten Abschnitt der Geschichte dies ses Zeitraums nicht für den Anfang einer neuen Epoche ansehen, so sehr auch Shakespear's Nahs me dazu aufzufordern scheint; denn aus Shakespear's Alles überstrahlendem Genie leuchtet das volle Licht des neuen Tages, der in der englischen Poesie mit den ersten Decennien des sechzehnten Jahrhunderts anfängt; Shakespear's Geschmack aber war der: selbe neu romantische Geschmack, der in England aus dem alt romantischen durch die Einwirkung der gries chischen, römischen und italienischen Litteratur unter der Regierung Heinrich's VIII. entstand und sich in seinen wesentlichen Zügen unverändert bis in die zweite Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts erhielt, wo das sogenannte Zeitalter der Königin Anna, noch vor der Thronbesteigung dieser Prinzessin, ans fångt. Dieses Zeitalter macht wieder Epoche in der Geschichte der englischen Poesie; denn das Streben nach einer Verstandes poesie und dabei nach strenger Correccheit und classischer Eleganz, durch das sich die Dichter aus dem Zeitalter der Königin Unna auszeichnen, ist den englischen Dichtern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, bis auf Milton, der an der Grenze zwischen diesen beiden Zeitaltern steht, völlig fremd. Mit Milton's Nah men kann man füglich das Ende des zweiten Abs schnitts der Geschichte des neu romantischen Ge schmacks in der englischen Poesie bezeichnen. Die Ges schichte der Beredsamkeit und der Poetik und Rhetos rik in der englischen Litteratur von den ersten Decens nien des sechzehnten Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des siebzehnten bedarf keiner Unterabtheis lungen.

3weites

3weites Capitel.

Geschichte der englischen und schøttischen Poèsie von den ersten Decennien des sechzehnten Jahrhunderts bis auf Spenser und Shakespear.

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er Uebergang der englischen Poesie von dem alts romantischen Geschmacke zu dem neu: romans tischen, der durch den Einfluß der griechischen, rós mischen und italienischen Litteratur entstand, war von keiner Art von Revolution begleitet. Es bildete sich nicht, wie um dieselbe Zeit in Spanien, eine Par tei, die mit den Freunden der älteren Nationalpoes sie in einen litterarischen Krieg gerathen wåre ). Es sland kein Dichter auf, der Epoche gemacht hätte, wie Marot in Frankreich *), oder früher noch Pes trarch in Italien). Still und langsam ånderte sich die englische Poesie. Feft gewurzelt in der früheren Denk und Sinnesart der Nation, glich sie einem alten Stamme, der neue Keime treibt, die ihm unz vermerkt von mehreren Seiten eingeimpft wurden. Mit dem alt romantischen Geschmacke der englischen Dichter war der italienische weit nåher verwandt, als der antife. Nach italienischen Dichtern bils Deten sich also vorzüglich die englischen, die den neuen Zon

i) S. den dritten Band dieser Gesch. der Poesie und Beredsamkeit S. 160.

k) S. den fünften Band, S. 169.

1) S. den ersten Band, S. 145.

Ton angaben. Englische Petrarchisten stans den auf, und es ertönte eine neue Poesie der Liebe in englischen Sonetten.

Der erste Dichter, dem es gelang, durch Nachs ahmung der petrarchischen Sonette in englischen Veri sen die Aufmerksamkeit seiner Zeitgenossen auf sich zu ziehen und als ein englischer Petrarch verehrt zu werden, war einer der angesehensten Männer des Landes, Henry Howard Graf von Surrey. Das Jahr seiner Geburt ist von den Litteratoren nicht angemerkt. Seine erste Erziehung erhielt er am Hofe des Königs Heinrich VIII. Hier bildete fich eine innige Freundschaft zwischen ihm und einem natürlichen Sohne des Königs, dem jungen Grafen von Richmond, dem Surrey zum Gesellschafter bes stellt war, Beide junge Männer gingen zusammen im Jahre 1530 auf die Universität zu Oxford. Dort studirten sie in dem Collegium, das der Cardinal Wolfen gestiftet hätte, vorzüglich die alte classische Litteratur. Bald darauf traten sie gemeinschaftlich eine Reise nach Frankreich an. Um diese Zeit scheint Surrey auch seine Geliebte fennen gelernt zu haben, die unter dem Nahmen Geraldine in seis nen Versen glänzt. Sie war die Tochter eines Gras fen von Figerald, der den Ursprung seiner Familie aus Italien ableitete. Vielleicht trug dieser Umstand dazu bei, den enthusiastischen Jüngling zu einer Reise nach Italien zu veranlassen. Auf dieser Reise ents wickelten sich mit seinem romantischen Charakter seine Talente zur Poesie. Er lernte die italienische Spras che, beschäftigte sich fleißig mit den Werken der itas lienischen Dichter, und studirte mit besonderer Vors liebe die Gedichte Petrarch's. Seine Geraldine

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