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und sich selbst vor einem Rückfalle in den sinnbildlis chen Cultus der Katholiken, den sie Aberglauben Ħannten, zu sichern für nöthig fanden. Und je nachs fichtiger die katholische Kirche gegen alle, auch nicht ganz unschuldigen Freuden des Geistes und der Sing ne war, wenn nur feine Keßerei aus ihnen hervors blickte, desto strenger glaubten die meisten Protestans ten in ihrer Kirchendisciplín verfahren und jede nue einigermaßen bedenkliche Zerstreuung des religiósens Eifers vermeiden zu müssen, um sich als wahre Chris ften zu zeigen. Wäre also der Lutherische, oder der Calvinische, oder ein anderer, auf ähnliche Art ans tipoetischer Proteftantismus in England der herrs schende geworden, so hätten wir eine ganz andere Geschichte der englischen Poesie.

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Uber gerade der wilde und unbiegsame, die spanische Inquisition selbst an Grausamkeit übertrefs' fende Despotismus, durch welchen der König Heins rich VIII. seinem Privatinteresse gemäß, nach seinen eigenen Grundsäßen und Launen, die neue Episkopals Kirche gründete, für deren Oberhaupt er sich selbst erklårs te, rettete durch ein sonderbares Zusammentreffen der Umstände auf der britannischen Insel die liberalen Geis ftesfreuden mitten im fanatischen Gedränge katholischer und protestantischer Disputanten. Heinrich, der selbst eine Abhandlung gegen Luther geschrieben und dafür vom Pabste den Titel Beschüßer des Glaubens erhalten hatte, nahm auf ein Mal die Partei des Protestantismus, aus Troß gegen den Pabst, der nicht gut heißen wollte, daß Heinrich unrechtmäßig feine erste Gemahlin verstieß. Von nun an sollten auf föniglichen Befehl alle Engländer Proteftans ten werden, nicht nach ihrer eigenen Ueberzeugung,

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fondern nach den Grundsäßen, die ihnen vom Throne herab verkündigt wurden. Dem Pabste sollten sie allen Gehorsam verweigern, aber dem Könige in Glaubenssachen eben so unbedingt gehorchen, wie vormals dem Pabste. Wer einem Dogma widers sprach, das der König publicirte, dem drohte auf der einen Seite der Scheiterhaufen, auf der andern Das Henkerbeil. Wer die katholische Lehre von den fieben Sacramenten und der Messe nicht annahm, wurde als Keker verbrannt. Wer den König nicht für das Oberhaupt der Kirche anerkennen wollte, mußte als Rebell auf dem Blutgerüste sterben. Eine folche, alles Menschengefühl und alle gesunde Vers nunft empörende Kirchenreformation war in der Ges schichte des Protestantismus unerhört. Darum hatte auch die Königin Maria, die ihre Unterthanen mit gleicher Grausamkeit wieder in den Schooß der alten Kirche zurückzuführen versüchte, in den Augen der Bernünftigen nicht mehr Unrecht, als ihr widersins nig protestantischer Vater. Alle Gewissensfreiheit war in England vernichtet. Den Vernünftigen, die nicht als Märtyrer ihres Glaubens sterben wolls zen, blieb nichts übrig, als, zu schweigen, sich dus ßerlich in alle Befehle der Regierung zu fügen, und, wenn ihr Geist Beschäftigung suchte, sich an Stus dien zu halten, die mit der christlichen Dogmatik gar nichts gemein hatten.

Unter der milden und verständigen Regierung der Königin Elisabeth kamen die Religionsstreitigkeiten in England leicht aus der Mode. Der Grund zu der neuen Episkopalkirche war einmal gelegt, und Das Interesse dieser Kirche war eins geworden mit dem Intereffe des Staats. Was Elisabeth, um

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fich den übrigen Protestanten mehr zu nåhren, an dem Glaubenssystem ihrer Episkopalen ånderte, ers regte so wenig Aufsehen, daß man kaum davon sprach. Gegen die übrigen Religionsparteien vers fuhr Elisabeth mit aller damals nur möglichen Toles ranz. Pieristische Freudenscheu lag ganz außer ih rem Charakter. Dem Beispiele, das fie gab, folgte Jeder, wer vom guten Ton seyn wollte. Die Gecte der Puritaner, die in dem Widerwillen gegen das Theater und in der Gleichgültigkeit gegen alle Stu dien, die nicht unmittelbar die Kirche und den Staat betreffen, mit Calvin und andern protestans tischen Rigoristen übereinstimmte, durfte damals nicht laut werden. Unbehindert durch die Angeles genheiten der Kirche, aber auch außer aller Verbin dung mit ihr, blühte also die Poesie und die schöne Litteratur überhaupt unter Elisabeth trefflich empor. Besonders trug die Ueberseßung der Bibel vieles bei, der englischen Sprache Festigkeit und Bestimmtheit zu geben. Unter Jakob I. blieb der puritanische Pietismus, so gefährlich er auch der königlichen Gewalt wurde, noch immer in einer weis ten Entfernung von der herrschenden Denfart der Nation. Selbst in den ersten Jahren der Regierung Carls I., als es der puritanischen Partei schon ges lang, als Vertheidiger der politischen Freiheit die Stimme des Volks zu gewinnen, erhielten sich in England die liberalen Studien in unerschüttertem Ansehen. Aber als Cromwel mit seinen Indepen denten triumphirend in London einzog, da flohen die Mufen. Die Theater wurden verschlossen. In den Parlamentsreden schlug man einander, wie von den Kanzeln herab, mit Glaubenslehren und biblischen Sprüchen. Die robe Geschmacklosigkeit dieser wils

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den Frommler zeigte sich in Allem, was sie dachten und sagten. Gleichwohl vermochten sie im Ganzen nichts weiter über den Geschmack der Nation, als, durch eine gewaltsame Hemmung der freien Forts Schritte in der Litteratur und Kunst eine übertriebene Reaction der liberalen Denkart vorzubereiten. Diese Denkart trat sogleich mit der Thronbesteigung Carl's 11. wieder in ihre alten Rechte ein. Nur auf einige Dichter hatten indessen die theologischen Debatten der Presbyterianer und Independenten einen günstiṣ gen Einfluß gehabt. Eie veranlaßten die neue Art von religiöser Poesie, die sich in Milton's Geiste entwickelte, und die neue Art, poetisch zu philos sophiren, in der sich besonders Cowley gefiel, und die unverkennbar von speculativen, mit der Theologie verwandten Lehrsäßen ausging. Der herrschende Geschmack der englischen Dichter und ihres Publis cums unter der Regierung Carl's II. war aber so wenig religiós, daß er eben so sehr aus Troß gegen den puritanischen Pietismus, als aus Nachgiebigs keit gegen die Sitten des Hofes, im Leichtsinne und Uebermuthe ausschweifte.

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IV. Unter allen diesen Umständen bewirkten bas eifrige Studium der alten Classiker und die Nachahmung einiger italienischen Dichter in der englischen Litteratur zwar eine wesentliche Veränderung des Geistes und der Formen `der frús heren romantischen Poesie, und eine merkwürdige Läuterung und Verfeinerung des Geschmacks im Ganzen, aber keine Revolution, durch welche ein merkliches Streben nach antiker Regelmäßigkeit und Correctheir eingeführt, oder gar, nach Grunds fäßen einer oberflächlichen Kritik, der Geschmack,

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auf Kosten des poetischen Gefühls gebildet worden wäre.

Wenn der Fleiß und Eifer, mit dem man im fechzehnten Jahrhundert die Sprachen des classischen Alterthums und die in ihnen geschriebenen Werte auf der britannischen Insel studirte, eine völlige Res volution des litterarischen Geschmacks hätte bewirken Fönnen, so würde vielleicht feine. Nation in Euro pa die antike Regelmäßigkeit und Correctheit mit mehr Glück, als die Engländer, in ihrer Nationals fitteratur nachgeahmt haben. Die Großen des Lane des gingen den Gelehrten selbst mit einem ermuns ternden Beispiele voran. Unter dem Könige Heins rich VIII. stiftete der Cardinal Wolsey die erste Pros fessur der griechischen Sprache und Litteratur zu Op ford; und bald gehörte es zum guten Ton, Gries chisch zu lernen. Erasmus von Rotterdam erhielt einen Ruf nach England, dem er aber nicht folgte Der Canzler Thomas More schrieb indessen Lateinisch im Styl der Alten. Der junge Prinz Eduard, der nach Heinrich's Tode den Thron bestieg, bildete seinen Geist vorzüglich durch das Studium griechis scher und römischer Autoren. Die Königin Elisas beth sprach Latein mit vieler Fertigkeit. Sie übers sehte ein Stück aus einem Trauerspiele des Seneca in's Englische. Durch eine Menge von Uebersets zungen aus dem Griechischen und Lateinischen wurde die englische Litteratur vorzüglich an die alte classif sche angeknüpft. Vor dem Ablaufe des sechzehnten Jahrhunderts gab es schon mehrere englische Ueber fehungen der Aeneide, der Georgica, und der Eflos gen Virgil's, der Metamorphosen und anderer Ges dichte Ovid's, und endlich auch eine Ueberseßung

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