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neben der wahren Prose nicht länger erhalten konnte, als, bis der classische Geschmack der Alten den ges bildetern Theil der franzdfischen Dichter und Schrifts steller für sich einnahm. Was den Franzosen an den classischen Werken des Alterthums vorzüglich ges fiel, war der helle Verstand der Alten, ihre ans muthige Regelmäßigkeit, ihre correcte, bestimmte und elegante Sprache, und überhaupt alle diejenis gen Vorzüge, die zur schönen Prose eben so wes sentlich gehören, als zur vollendeten Poesie. Ganz anders verhielt es sich in England und Schottland. Die englische und schottische Nation war damals in jeder Hinsicht roher, als die französische. Von rhetorischer Schönheit hatte man in England kaum einen Begriff, und in Schottland versuchte man kaum einmal, auch nur gemeine Prose in der Lans dessprache zu schreiben, Dafür aber wurde das poetische Gefühl der germanischen Bewohner der britannischen Insel und der normånnischen Ab. kömmlinge, die nun schon ganz zu Engländern ger worden waren, durch den Einfluß der alten classis schen Litteratur auf eine ganz neue Art aufgeregt. Es war gerade die Zeit, da die nationalen Ballas den und Lieder wieder zu Ehren gekommen waren, und die ersten Naturlaute der ungeschmückten Volkss poesie mit ihrer ganzen Kraft und Junigkeit auch in höheren und kunstreicheren Dichtungen wiedertönten. Wahrheit, Stärke und Tiefe des Gefühls fündigten fich als charakteristische Vorzüge der englischen Poesie an. Die Phantasie, die in Frankreich dem uns terhaltenden Wiße und dem kritischen Verstande Plak machte, strebte in England nach neuen Schö. pfungen, auch auf die Gefahr, die Grenzen des guten Geschmacks weit hin zu überfliegen.

Die

griechischen und römischen Autoren, die nun durch Ueberseßungen auch dem größeren Theile des englis fchen Publicums immer bekannter wurden, empfahs len sich den englischen Dichtern mehr durch die neue poetische Welt, die sie ihnen aufschlossen, als durch die geistreiche und geschmackvolle Correctheit, Be: stimmtheit und Eleganz der Gedanken und der Spra che. Während also in Frankreich die Poesie durch mancherlei Krümmungen sich dem Wege des besons nensten Geschmacks näherte, den sie endlich im Jahrhundert Ludwig's XIV. erreichte, fing in Engs land ein neues Zeitalter des Genies an.

Richts reizte die Phantasie der englischen Dichs ter des sechzehnten Jahrhunderts mehr, als die Mythologie, die sie aus den Werken der alten Classiker kennen lernten. Bon feiner andern Nas tion wissen wir, daß sie von den mythischen Vors stellungen des Alterthums auf ein Mal so überströmt worden wåre, als damals die englische. Die gries chische und rṣmische Mythologie drang nicht nur in alle Werke der englischen Dichter ein; sie verbreitete sich auch über alle Feierlichkeiten und öffentlichen Vergnügungen, die einen poetischen Anstrich haben follten. Besonders unter der Regierung der Köni gin Elisabeth mußten die griechischen Götter bet jes Der Gelegenheit figuriren, um die Königin selbst verherrlichen zu helfen. Griechische Tempel wurs Den anstatt der Luftzelte aufgeschlagen. Penaten waren aufgestellt, wo die Königin in eine festlich ges schmückte Halle eintrat, und Merkur empfing die Herrscherin an der Schwelle. Pagen wurden in Dryaden verkleidet. In den Teichen der Luftgårten plåtscherten Tritone und Nereiden. Ging die Kös

als schlaues, Verfahren die ganze Nation aus der Fass sung gebracht ). So inconsequent er in einzelnen Fåls len war, so folgerecht griffen im Ganzen die Marimen, nach denen er regierte, in einander ein; und das Glück trug ihn auf den Händen. In der Mitte zwischen zwei fanatischen Religionsparteien, unters drückte er beide dadurch, daß er bald der einen, bald der andern, schmeichelte, wie sein Vortheil es wollte. Selbst durch seine Grausamkeit schien er nur die Rechte der Majestät geltend zu machen; denn er sprach und handelte immer wie ein Mann, der nur deßwegen keine Widerseßlichkeit und keinem Widerspruch duldet, weil er nach seiner eigenen Ueberzeugung immer Recht hat. Alles zitterte vor ihm, wann er zürnte; und doch fonnte man den Tyrannen nicht þassen; denn kein Fürst war aufrichs tiger, liberaler, freundlicher und seinen Freunden, so lange es währte, ergebener, als Heinrich VIII., wenn seine Leidenschaften nicht aufgeregt wurden. Im Parlamente aber trauete, wie im ganzen Lande, kein Mensch dem andern. Jeder mußte besorgen, in seinem Nachbar einen nonconformistischett Protestanten, oder einen heimlichen Katholiken zu erblicken; und jede Partei lauerte mit gleicher Wuh auf den Augenblick, die andere durch Nachs giebigkeit gegen den eisernen Willen des Königs zu vernichten. Jeder Einzelne wagte seinen Kopf, wentt er dem Könige widersprach; und Jeder konnte vors aussehen, daß niemand, um ihn zu retten, zwecklos den seinigen wagen würde, weil das Interesse der Religionsparteien und das Verlangen, den König in dieses Interesse zu ziehen, das herrschende und

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c) Overawed nennt es der Engländer; ein unübersek, liches Work.

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entscheidende blieb. Die Nation fam also während der ganzen Regierung Heinrich's VIII. nicht zu sich felbst. Ihr Freiheitsgeist schien völlig erstorben zu fenn und dem niedrigsten Sklavensinne Plaß gemacht zu haben, weil der Thron des Despotismus, vont blendenden Glanze der Majestät umgeben, auf. dent gegenseitigen Hasse gleich fanatischer Katholiken und Protestanten unerschütterlich ruhte. . Und doch stårfte sich unter diesem Drucke das Selbstgefühl der Nas tion. Jede Partei fand sich schon dadurch geschmei chelt, daß der berrische König nicht wagte, sie ihrem Gegnern aufzuopfern; und die Nationalrechte schies nen ungeschmålert, weil ihre Form unverleßt blieb. Die englische Macht wurde unter der Regierung Heinrich's VIII im Auslande zwar nicht sehr ges fürchtet, aber doch geachtet. Die Energie des Königs schien dem englischen Nahmen Ehre zu mas chen. Der Wohlstand der Nation wuchs durch die Veräußerung der reichen Klostergüter. Und unter den Personen, die den König umgaben, waren Måns ner, die durch ihre Talente und Kenntnisse und durch Superiorität des Geistes eben so sehr imponirten, als der Monarch selbst durch die Gewalt seines uns widerstehlichen Willens. Zwei dieser Männer, der Cardinal Wolfen und der Canzler Thomas Mor xe, waren zugleich eifrige Beförderer der wieder erwachenden Litteratur, und Thomas More machte selbst Verse.

Unter dem vielversprechenden jungen König Eduard VI, der zu früh für die Wünsche seines Bolls im Jahre 1550, dem siebzehnten seines Alters, starb, athmere man wieder freier in Engs Land. Das neue Schreckenssystem, durch welches die

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bigotte

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Elifas

bigotte Königin Maria den Katholicismus wieder zur allgemeinen Landesreligion in England zu mas chen versuchte, war, wie die Regierung dieser Kd: nigin selbst, von kurzer Dauer. Unter fautem Jus bel des ganzen Volks bestieg nun Elisabeth den Thron, eine Fürstin, deren Regententugenden fast nichts zu wünschen übrig ließen, so weit sie auch hinter der Idee der weiblichen Liebenswürdigkeit zuz rückblieben, auf welche die sonst so verständige Elis sabeth noch in ihren alten Tagen eitle Ansprüche machte. Die glorreiche Regierung dieser Königin dauerte zum Glücke für die Nation fast ein halbes Jahrhundert (vom Jahre 1558 bis 1603). bech befestigte den Protestantismus in England nach dem System der Episkopalkirche, die Heinrich VIII. eingeführt hatte, mit aller möglichen Schonung der Katholiken und nonconformistischen Protestanten. Die Nation lernte sich in diesem, ihr aufgedrunges nen, Systeme unvermerkt gefallen, weil es die Engs lånder von den übrigen Protestanten in Europa trennte und ebendadurch eine neue Art von Natio: nalgeist in England erweckte. Mit der Erhaltung Dieses Kirchensystems schien die politische Existenz der Nation und die Rettung ihrer bürgerlichen Vers fassung unzertrennlich verbunden, seitdem der fanas tische König Philipp II. von Spanien seine soges nannte unüberwindliche Flotte gegen die Königin Elisabeth ausgerüstet hatte, nachdem er sich vorher England selbst von dem Pabste schenken lassen. Die Zerstörung der unüberwindlichen Flotte durch die Geschicklichkeit der ersten englischen Seehelden, des ren Nahme in Europa bekannt wurde, und noch mehr durch die Stürme, die Gort selbst zur Rets tung Englands vom Himmel þerabgeschickt zu haben schien,

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